Die Erben
auch mal versucht. Hat’s bei dir geklappt?“
„Nein“, gab Simon zu und ließ sich nach vorne kippen. „Ich hab dann versucht auf die Urinstinkte des Mannes zurückzugreifen.“
„Hä?“
„Abenteuerlust“, erklärte Simon mit verschwörerischer Stimme und lehnte sich ein wenig zu mir. „Es sei ja viel spannender unvorbereitet einen Test zu schreiben.“
„Ah“, meinte ich und nickte. „Hattest du damit Erfolg?“
Simon schüttelte den Kopf. „Ich hätte es wissen müssen. Der Mann spielt schließlich Golf.“
Ich lachte, als Ennis neben Simon erschien und uns verwundert ansah.
„Ennis, Hi“, begrüßte ich ihn schnell. „Du kennst Simon ja sicher.“
Ennis senkte den Kopf, um Simon ins Gesicht sehen zu können. Er nickte ihm knapp zu, dann schaute er wieder zu mir.
„Hast du einen neuen Lernpartner?“ Er klang nicht sauer, eher enttäuscht.
Schnell schüttelte ich den Kopf. „Nein nein. Simon geht mir nur gerne auf die Nerven.“
Ich bedachte Simon mit einem scharfen Blick, doch er grinste nur und packte seine Sachen wieder in den Rucksack.
„Sie gibt es nicht zu“, meinte er zu Ennis, als er aufstand und gehen wollte. „Aber sie mag es, wenn ich ihr auf die Nerven gehe.“
Mein Blick wurde scharf, doch das ermunterte Simon lediglich zu einem weiteren Lachen. Er ging an Ennis vorbei und hob die Hand.
„Viel Spaß beim Lernen“, verabschiedete er sich über die Schulter hinweg. „Wir sehen uns spätestens am Sonntag zu meinem Geburtstag.“
Ennis musterte mich argwöhnisch, als er sich dort nieder ließ, wo Simon eben noch gesessen hatte. „Du gehst auf seinen Geburtstag?“
„Halloweenparty.“ Ich verdrehte die Augen. „Vielleicht komme ich aus der Nummer noch irgendwie heraus, aber vorläufig stehe ich auf der Gästeliste.“
„Herzlichen Glückwunsch“, sagte Ennis und mich überraschte die Spur Sarkasmus, die in seiner Stimme mitschwang.
„Ich bin nicht befreundet mit ihm oder so“, rechtfertigte ich mich sofort und Ennis bedachte mich mit einem schüchternen Lächeln.
„Wenn Simon eine Party schmeißt, lädt er auch keine Freunde ein“, meinte er sanft. „Nur Fans und Gönner.“
Empört atmete ich ein.
„Ich bin kein Fan von Simon, falls du darauf hinaus willst“, protestierte ich. „Und schon gar kein Gönner. Was kann ich denn dafür, wenn er und seine Sippschaft mir ständig am Rockzipfel hängen? Es ist bestimmt nicht so, dass ich scharf darauf wäre.“
Es wunderte mich selbst, warum ich ihm Rechenschaft ablegen wollte. Schließlich war es meine Sache.
Ennis zuckte mit den Schultern. „Vielleicht ist es bei dir ja anders“, gab er zu. „Aber ich zweifle daran, dass Simon dich aus reiner Sympathie um sich haben will. Er ist genauso berechnend wie seine Schwester.“
Ich starrte Ennis mit offenem Mund an und sah vermutlich aus wie ein Fisch.
So kannte ich Ennis nicht.
Eigentlich war er der immer ruhige und verträumte Mitschüler, neben dem ich in Spanisch und Geschichte saß. Erst vergangene Woche hatte er eine Spinne auf einem Blatt in die Freiheit entlassen, so gutmütig war er. Und obwohl er sehr verschlossen war, gehörte er neben Ava und Joe wohl zu den Wenigen, die ich an der Canterbury wirklich leiden konnte.
Gerade als ich den Mund öffnen wollte, um etwas zu erwidern, schlug Ennis sein Spanischbuch auf und lächelte mich versöhnlich an. „Wir sollten dann anfangen zu lernen.“
Verwirrt lehnte ich mich zu ihm und versuchte seinen Erklärungen zu folgen. Trotzdem fühle ich mich von ihm eigenartig ertappt und beschuldigt.
Nach der Schule nahm mich Joes Mum mit. Dad war arbeiten und Mum bei einem Treffen ihres Frauenvereins, der bereits unter Hochdruck am jährlichen Winterball arbeitete. Was auch immer das bedeuten sollte.
Mrs. Sanders setzte mich vor unserem Haus ab und ich ging direkt in die Küche meiner Eltern. Halbautomatisch zerrte ich die Packung Brot aus dem Schrank und schmiss sie auf die Anrichte, um mir ein Sandwich zu machen. Ich öffnete die Kühlschranktür, packte die Arme voller Zutaten und als ich sie mit der Schulter wieder schloss, fiel mein Blick durch das Küchenfenster nach draußen, wo unser Garten war.
Ich erschrak und stolperte rückwärts.
Direkt vor unserem Küchenfenster stand ein wildfremder Mann und starrte zu mir.
Er schien nicht weniger schockiert darüber, mich zu sehen, als ich es war.
Hastig schmiss ich die Sachen auf die Anrichte und lief zur Hintertür.
„Wer zum Teufel sind Sie und
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