Die Erbin
hatte.
Mit der Pfeife im Mundwinkel holte Richter Atlee seine schwarze Anzugjacke und zog sie an. Er trug nichts anderes als schwarze Anzüge, außer wenn er in Robe im Gerichtssaal saß. Niemand wusste, ob er zwanzig solcher Anzüge besaß oder nur einen; sie sahen alle gleich aus. Begleitet wurden die Anzüge un weigerlich von marineblauen Hosenträgern und gestärkten wei ßen Hemden, von denen die meisten winzige Löcher von Tabak asche hatten. Er nahm am Kopfende des Tisches Platz, während sie sich über Lucien unterhielten. Als Jake damit fertig war, Unterlagen aus seinem Aktenkoffer zu holen, gab er dem Richter eine Kopie des Nachlassverzeichnisses.
»Quince Lundy ist sehr gut«, meinte er. »Ich würde nicht wollen, dass er sich meine Finanzen ansieht.
»Das würde vermutlich nicht allzu lange dauern«, bemerkte Richter Atlee trocken. Viele hielten ihn für humorlos, aber wenn er jemanden mochte, konnte er mitunter herrlich ironisch sein.
»Nein. Vermutlich nicht.«
Für einen Richter war er nicht sehr gesprächig. Ohne ein Wort sah er sich das Verzeichnis an, Seite um Seite, während der Tabak erlosch und er nicht mehr an der Pfeife zog. Zeit spielte keine Rolle, denn wie viele Stunden in Rechnung gestellt wurden, bestimmte Reuben Atlee. Schließlich nahm er die Pfeife aus dem Mund, legte sie in einen Aschenbecher und sagte: »Vierundzwanzig Millionen?«
»Das ist die Gesamtsumme.«
»Das halten wir unter Verschluss, okay, Jake? Niemand sollte das sehen, zumindest jetzt noch nicht. Schreiben Sie mir eine Verfügung, dann werde ich diesen Teil der Akte versiegeln. Wer weiß, was geschieht, wenn das an die Öffentlichkeit kommt. Die Zeitungen würden auf der Titelseite darüber berichten, und es würde vermutlich noch mehr Anwälte nach Clanton bringen. Irgendwann kommt es raus, aber fürs Erste sollten wir es besser verschweigen.«
»Der Meinung bin ich auch.«
»Gibt es etwas Neues von Sistrunk?«
»Nein, Sir, und dafür habe ich inzwischen eine gute Quelle. Ich will mit offenen Karten spielen, daher muss ich Ihnen sagen, dass wir eine Praktikantin eingestellt haben. Portia Lang, Letties älteste Tochter. Ein intelligentes Mädchen, das vielleicht Jura studieren wird.«
»Kluge Entscheidung, Jake. Ich mag das Mädchen.«
»Dann ist das kein Problem?«
»Nein. Ihre Kanzlei fällt nicht in meinen Zuständigkeitsbereich.«
»Kein Interessenkonflikt?«
»Ich sehe keinen.«
»Ich auch nicht. Wenn Sistrunk wieder auftaucht oder irgend wo in der Gegend herumschleicht, werden wir das sofort wissen. Simeon ist immer noch verschwunden, aber ich vermute, dass er irgendwann wieder nach Hause kommen wird. Es wird Ärger mit ihm geben, aber dumm ist er nicht. Sie ist immer noch seine Frau.«
»Er kommt wieder. Da ist noch etwas, Jake. In dem Testament steht, dass ein Bruder, Ancil Hubbard, fünf Prozent bekommen soll. Das macht aus dem Bruder eine betroffene Partei. Ich habe Ihren Bericht und die eidesstaatlichen Erklärungen gelesen, und so, wie ich das sehe, gehen wir vor, als wäre dieser Ancil tot. Aber das macht mir Sorgen. Da wir es nicht mit Sicherheit wissen, sollten wir nicht einfach davon ausgehen, dass er tot ist.«
»Wir haben nach ihm gesucht, aber nirgendwo eine Spur von ihm gefunden.«
»Richtig, aber Sie sind kein Profi, Jake. Ich habe mir Folgendes überlegt. Fünf Prozent des Nachlasses sind über eine Million Dollar. Mir scheint es vernünftig zu sein, eine kleinere Summe zu nehmen, sagen wir mal in der Größenordnung von fünfzigtausend Dollar, und einer großen Detektei den Auftrag zu erteilen, nach ihm zu suchen. Oder herauszufinden, was mit ihm passiert ist. Was meinen Sie?«
In einer Situation wie dieser war es Richter Atlee eigentlich egal, was man meinte. Die Entscheidung war bereits gefallen, und er versuchte lediglich, höflich zu sein.
»Großartige Idee«, erwiderte Jake, was alle Richter gern hörten.
»Dann werde ich es genehmigen. Was ist mit den anderen Auslagen?«
»Ich bin froh, dass Sie fragen. Ich würde gern bezahlt werden.« Jake gab ihm eine Aufstellung der Stunden, die er für den Fall abgerechnet hatte. Richter Atlee studierte sie aufmerksam, dann runzelte er die Stirn, als wollte Jake den Nachlass plündern. »Einhundertachtzig Stunden. Was für einen Stundensatz habe ich genehmigt?«, fragte er schließlich.
Natürlich kannte er die Antwort. »Einhundertfünfzig«, erwiderte Jake.
»Das wären dann … lassen Sie mal sehen.« Er starrte durch die
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