Die Erbin
anziehen könne, was sie wolle. »Es geht nur um die Zeugenaussagen.«
Lettie setzte sich an das Tischende, mit Jake neben sich auf der einen Seite, der Gerichtsstenografin mit ihrer Maschine auf der anderen Seite und ihrer Tochter ganz in der Nähe. Sie sah den langen Tisch hinunter, lächelte die Horde Anwälte an und sagte: »Guten Morgen.« Jeder einzelne Anwalt erwiderte ihre Begrüßung mit einem Lächeln. Es war ein guter Anfang.
Aber nur für eine Sekunde. Als Jake gerade mit einigen ein leitenden Bemerkungen beginnen wollte, wurde die große Dop peltür geöffnet, und Rufus Buckley kam herein, den Aktenkoffer in der Hand, als hätte er jedes Recht darauf, hier zu sein. Der Gerichtssaal war völlig leer, es gab keinen einzigen Zu schauer, und das würde aufgrund der Verfügung von Richter Reuben Atlee auch so bleiben. Offenbar hatte Buckley nicht vor, sich an die Verfügung zu halten.
Er ging durch die Schwingtür der Schranke und setzte sich an den Tisch, wo er von den anderen neun Anwälten argwöhnisch beäugt wurde.
Jake brannte plötzlich darauf, einen Streit vom Zaun zu brechen. »Oh, hallo, Rufus. Schön, Sie mal wieder außerhalb des Gefängnisses zu sehen«, rief er laut.
»Haha, Jake. Sie sind ja so ein Komiker.«
»Was machen Sie hier?«
»Ich bin wegen der Zeugenaussage hier. Sieht man das nicht?«, gab Buckley zurück.
»Wen vertreten Sie?«
»Den Mandanten, den ich schon seit einem Monat habe. Simeon Lang.«
»Er ist keine betroffene Partei.«
»Da sind wir anderer Meinung. Es könnte unter Umständen strittig sein, aber wir vertreten die Auffassung, dass Mr. Lang ein direktes finanzielles Interesse an der Anfechtung des Testaments hat. Und deshalb bin ich hier.«
Jake stand auf. »Okay, das reicht. Richter Atlee ist in Bereit schaft, für den Fall, dass es Ärger geben sollte. Ich werde ihn holen.« Eilig verließ er den Gerichtssaal, und Buckley rutschte unruhig auf seinem Stuhl herum.
Kurz darauf kam Richter Atlee durch eine Tür hinter der Richterbank – ohne seine Robe – und nahm seinen angestammten Platz ein. »Guten Morgen, meine Herren«, sagte er etwas gereizt und redete dann weiter, ohne auf eine Antwort zu war ten. »Mr. Buckley, sagen Sie mir in so wenigen Worten wie mög lich, warum Sie hier sind.«
Buckley schnellte mit der für ihn charakteristischen Ver bissenheit nach oben. »Euer Ehren, wir vertreten immer noch Mr. Simeon Lang und …«
»Wer ist wir?«
»Mr. Booker Sistrunk und meine Wenigkeit, zusammen mit …«
»Mr. Sistrunk wird in diesem Gerichtssaal nicht mehr erscheinen, Mr. Buckley. Zumindest nicht in dieser Angelegenheit.«
»Ähm, ja, aber unsere Position hat sich nicht verändert. Mr. Lang ist eine der Verhandlungsparteien und …«
»Das ist er nicht, und ich werde auch nicht zulassen, dass er eine Partei wird. Und daher, Mr. Buckley, vertreten Sie keine betroffene Partei.«
»Das wurde noch nicht rechtskräftig entschieden.«
»Aber sicher wurde das rechtskräftig entschieden. Von mir. Sie haben hier nichts zu suchen, Mr. Buckley. Und diese Zeugenaussage findet unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt.«
»Euer Ehren, das ist doch nur eine Zeugenaussage und keine geheime Sitzung. Die Zeugenaussage wird der Gerichtsakte hinzugefügt und ist dann für die Öffentlichkeit zugänglich.«
»Mr. Buckley, wollen Sie mich etwa belehren?«
»Tut mir leid. Ich hatte nicht die Absicht …«
»Die Zeugenaussagen werden so lange versiegelt, bis ich sie mir angesehen habe. Mr. Buckley, ich habe absolut keine Lust, mich von Ihnen in eine Situation drängen zu lassen, in der ich mit Ihnen diskutieren muss. Muss ich Sie daran erinnern, was passiert ist, als Sie in diesem Gerichtssaal das letzte Mal etwas zu viel gesagt haben?«
»Das ist nicht nötig, Euer Ehren«, erwiderte Buckley.
»Auf Wiedersehen, Mr. Buckley«, sagte der Richter mit dröh nender Stimme.
Buckley stand hilflos da, beide Arme ausgestreckt, als wäre er völlig fassungslos. »Euer Ehren, das ist doch nicht Ihr Ernst.«
»Und ob das mein Ernst ist, Mr. Buckley. Auf Wiedersehen.«
Buckley nickte, griff sich seinen Aktenkoffer und trat hastig den Rückzug aus dem Gerichtssaal an. »Machen Sie weiter«, sagte Richter Atlee, nachdem sich die große Doppeltür hinter Buckley geschlossen hatte. Dann ging er wieder.
Alle Anwesenden holten erst einmal tief Luft. »Wo waren wir stehen geblieben?«, sagte Jake schließlich.
»Irgendwie vermisse ich Sistrunk«, warf Wade Lanier
Weitere Kostenlose Bücher