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Die Erbin

Die Erbin

Titel: Die Erbin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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widmete Marvis eine Menge Zeit: Vorstrafen register, Verurteilungen, Gefängnisstrafen. Lettie begann zu wei nen und wischte sich die Tränen von den Wangen, riss sich aber z usammen. Dann waren Phedra und ihre Probleme an der Reihe: zwei uneheliche Kinder, Letties erste Enkelkinder, der berufliche Werdegang, der alles andere als geradlinig war. Zurzeit wohnte Phedra wieder zu Hause; genau genommen war sie nie ausgezogen. Ihre beiden Kinder hatten verschiedene Väter, die keinen Kontakt zu ihren Sprösslingen hatten.
    Portia zuckte zusammen, als Fragen zu ihrem älteren Bruder und ihrer Schwester kamen. Es war kein Geheimnis, aber sie sprachen nicht offen darüber. In der Familie unterhielt man sich nur hinter vorgehaltener Hand darüber, trotzdem wurde jetzt alles von einer Horde Weißer ans Licht gezerrt, noch dazu allesamt Fremde.
    Um 10.30 Uhr wurde eine Pause von fünfzehn Minuten verkündet, und die Anwesenden zerstreuten sich. Die Anwälte stürmten aus dem Gerichtssaal, um nach einem Telefon zu suchen. Portia und Lettie gingen auf die Toilette. Eine Angestellte brachte eine Kanne mit frischem Kaffee und einen Teller mit Keksen aus dem Supermarkt herein. Die Tische ähnelten bereits einer Müllkippe.
    Als es weiterging, übernahm Stillman Rush das Ruder und befasste sich ausgiebig mit Simeon, dessen Familie komplizierter war. Sein beruflicher Werdegang wies immer wieder Lücken auf, aber Lettie erinnerte sich an Jobs als Lastwagenfahrer, Baggerführer, Holzfäller, Maler und Maurergehilfe. Er sei ein paarmal festgenommen worden, das letzte Mal im Oktober. Geringfügige Vergehen, keine schweren Verbrechen. Ja, sie hätten sich schon ein paarmal getrennt, aber es sei nie länger als zwei Monate gewesen.
    Genug von Simeon, jedenfalls fürs Erste; Stillman wollte mit Letties Lebenslauf weitermachen. Die letzten drei Jahre hatte sie mit Unterbrechungen für Seth Hubbard gearbeitet, manchmal Vollzeit, manchmal Teilzeit. Davor war sie drei Jahre als Haushälterin für ein älteres Ehepaar in Clanton tätig gewesen, von dem Jake noch nie etwas gehört hatte. Beide starben innerhalb von drei Monaten, und Lettie hatte keine Arbeit mehr. Davor war sie als Köchin in der Kantine der Mittelschule in Karaway angestellt gewesen. Stillman wollte Daten, Löhne, Lohnerhöhungen, Chefs, jedes noch so kleine Detail, und Lettie gab sich alle Mühe.
    Im Ernst?, fragte sich Portia. Warum war es für die Anfechtung des Testaments wichtig, wie vor zehn Jahren der Chef meiner Mutter geheißen hatte? Sie würden ins Blaue hinein fragen, hatte Jake gesagt. Willkommen in der eintönigen Stumpfsinnig keit von Zeugenaussagen.
    Jake hatte ihr auch erklärt, dass sich Zeugenaussagen mitunter über Tage hinzogen, weil die Anwälte pro Stunde bezahlt werden, zumindest die, von denen die banalen, langweiligen Fragen kommen. Da es so gut wie keine Einschränkungen dafür gibt, was gefragt werden kann, und die Uhr tickt, haben Anwälte, ganz besonders jene, die für Versicherungsunternehmen und große Konzerne arbeiten, überhaupt kein Interesse daran, sich kurz zu fassen. Solange es bei dem Gespräch um Personen oder Angelegenheiten geht, die irgendetwas mit dem Verfahren zu tun haben, können sie stundenlang auf einem Zeugen herumhacken.
    Jake hatte aber auch erklärt, dass der Fall Hubbard anders lag, da er der einzige Anwalt war, der für einen Stundensatz arbeitete. Die anderen waren auf gut Glück da und hofften auf einen bestimmten Prozentsatz des Nachlasses. Wenn das hand schriftliche Testament für ungültig erklärt wurde, würde das Geld – wie in dem früheren Testament bestimmt – an die Familie gehen, und sämtliche Anwälte konnten ihren Anteil einstreichen. Da die anderen Anwälte keine Garantie dafür hatten, dass sie Geld bekamen, ging Jake davon aus, dass ihre Fragen vielleicht doch nicht so nervtötend waren.
    Portia war sich da nicht so sicher. Im Gerichtssaal machte sich immer mehr Langeweile breit.
    Stillman hatte die Angewohnheit, auf und ab zu hüpfen, vermutlich, weil er damit die Zeugin aus der Ruhe bringen wollte. »Haben Sie sich von Ihrem ehemaligen Anwalt, Booker Sis trunk, Geld geliehen?«, war dann die Frage, bei der alle wieder aufwachten.
    »Ja.« Lettie wusste, dass die Frage kommen würde, und beantwortete sie, ohne zu zögern. Es gab kein Gesetz und keine Vorschrift gegen einen solchen Kredit, jedenfalls nicht für den, der das Geld bekam.
    »Wie viel?«
    »Fünfzigtausend Dollar.«
    »Hat er Ihnen einen

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