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Die Erbin

Die Erbin

Titel: Die Erbin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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Überraschungsmoment verloren. Jake würde genug Zeit haben, um Lettie auf ihre Zeu genaussage vorzubereiten und sich etwas auszudenken, mit dem er die Geschworenen vielleicht besänftigen konnte. Er würde es mit Sicherheit schaffen, die Geschichte in einem anderen Licht darzustellen. Und er würde auf dem Verstoß gegen die Regeln der Offenlegung herumreiten. Richter Atlee würde kein Verständnis für sie haben.
    Lanier und Chilcott zogen die Idee in Betracht, sich direkt mit Freeman in Verbindung zu setzen. Wenn das Testament zu den Akten gelegt worden war und dort Staub ansetzte, konnte Freeman es mit Sicherheit beschaffen, ohne dass sie gezwungen waren, es zu stehlen. Und er würde vor Gericht ein seriöser Zeuge sein. Aber wenn sie mit Freeman sprachen, war ihr großes Geheimnis keines mehr. Als potenzieller Zeuge würde sein Name schon vor der Verhandlung auftauchen. Das Überra schungselement wäre dahin. Vielleicht würde es später notwendig werden, mit ihm zu sprechen, doch fürs Erste begnügten sich Wade Lanier und Lester Chilcott damit, ein Netz aus Schwei gen und Täuschung zu spinnen. Mogeln ließ sich oft nur schwer vertuschen und erforderte akribische Planung, aber darin waren die beiden sehr geschickt.
    Zwei Tage später ging Randall Clapp in die Kanzlei Freeman und sagte der Sekretärin, dass er um sechzehn Uhr einen Termin habe. Die aus zwei Anwälten bestehende Kanzlei war in einem umgebauten Bungalow untergebracht und lag einen Block vom Oxford Square entfernt, neben einer Spar- und Dar lehenskasse und nur einen Steinwurf vom Gericht entfernt. Wäh rend Clapp im Empfangsbereich wartete, blätterte er in einer Zeitschrift und sah sich unauffällig die Umgebung an. Keine Videokameras, keine Sensoren für eine Alarmanlage, einfaches Sicherheitsschloss an der Eingangstür, keine Kette, prak tisch nichts, was einen Einbrecher davon abhalten könnte, nachts hereinzuschleichen und sich dabei viel Zeit zu lassen, selbst wenn er nicht allzu viel von seinem Handwerk verstand.
    Es war eine typische Kleinstadtkanzlei, wie Dutzende andere, in denen Clapp schon gewesen war. Er war bereits durch die kleine Gasse an der Rückseite des Gebäudes geschlendert und hatte sich die Hintertür angesehen. Ein Sicherheitsschloss, aber nichts furchtbar Kompliziertes. Sein Mitarbeiter Erby schaffte es, schneller durch den Vordereingang oder die Hintertür zu kommen als einer der Mitarbeiter mit einem Schlüssel.
    Clapp ging in Todd Freemans Büro und sprach mit ihm über ein westlich der Stadt gelegenes Grundstück am Highway, das er kaufen wolle. Er benutzte seinen richtigen Namen, seinen richtigen Beruf und seine richtige Visitenkarte, log aber, als er sagte, er und sein Bruder wollten dort eine rund um die Uhr geöffnete Fernfahrerkneipe aufmachen. Die damit verbundenen Formalitäten waren Routine, und Freeman schien ausreichend interessiert zu sein. Clapp fragte nach der Toilette und wurde den engen Flur hinuntergeschickt. Eine ausziehbare Treppe, mindestens zwei mit Akten vollgestopfte Räume, eine kleine Küche mit einem kaputten Fenster, kein Schloss. Kein Hinweis auf eine Alarmanlage. Ein Kinderspiel.
    Erby betrat das Gebäude kurz nach Mitternacht, während Clapp in geduckter Haltung in seinem Wagen auf der anderen Straßenseite saß und die Umgebung im Auge behielt. Es war der 18. Januar, kalt und ein Mittwoch. Studenten waren nicht unterwegs. Der Platz war menschenleer, und Clapps größte Sorge bestand darin, von einem gelangweilten Polizisten entdeckt zu werden. Sobald Erby im Innern des Gebäudes verschwunden war, meldete er sich über Funk. Es war alles ruhig. Mit seinem bewährten Taschenmesser hatte er das Schloss an der Hintertür innerhalb weniger Sekunden geknackt. Mit einer Infrarottaschen lampe in der Hand schlich sich Erby durch die Büros; von den Innentüren war keine einzige verriegelt. Die ausziehbare Treppe war ziemlich klapprig und quietschte, aber es gelang ihm, sie fast lautlos herunterzuziehen. Als er am Fenster an der Vorderseite des Gebäudes stand und über Funk mit Clapp sprach, konnte Clapp seinen Schatten im Innern nicht erkennen. Erby, der Handschuhe trug und darauf achtete, nichts durcheinanderzubringen, fing in einem der Lagerräume an. Es würde Stunden dauern, aber er hatte es nicht eilig. Er zog Schubladen auf, blätterte durch Akten, sah sich Daten, Namen und so weiter an. Dabei berührte er Dokumente, die seit Wochen, Monaten, vielleicht sogar Jahren nicht angefasst worden

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