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Die Erbin

Die Erbin

Titel: Die Erbin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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jemanden brauchte, der kochte und putzte. Mrs. Pickering lebte knapp außerhalb der Kleinstadt Lake Village in einem alten Haus, das schon seit Generationen in der Familie war. Damals wohnte Fritz Pickering in Tupelo, wo er für eine Versicherung arbeitete, die ihn später nach Shreveport versetzte. Er sah seine Mutter mindestens einmal im Monat und lernte Lettie recht gut kennen. Alle Seiten waren zufrieden mit dem Arbeitsverhältnis, vor allem Mrs. Pickering. 1980 verschlech terte sich ihr Gesundheitszustand rapide, und es wurde klar, dass das Ende nahte. Lettie arbeitete immer länger und zeigte großes Mitgefühl für die Sterbende, doch Fritz und seine Schwes ter, das einzige andere Geschwisterkind, wurden misstrauisch, als es um die finanziellen Angelegenheiten ihrer Mutter ging. Lettie hatte nach und nach die Aufgabe übernommen, Rech nungen zu sammeln und Schecks auszustellen, allerdings sah es so aus, als würden die Schecks stets von Mrs. Pickering unterschrieben werden. Lettie kümmerte sich um Kontoauszüge, Versicherungsunterlagen, Rechnungen und anderen Papierkram.
    Eines Tages bekam Fritz einen Telefonanruf von seiner Schwester, die ein erstaunliches Dokument gefunden hatte. Es war ein handschriftliches Testament ihrer Mutter, in dem sie Lettie Lang fünfzigtausend Dollar in bar vermachte. Fritz nahm sich frei, raste nach Lake Village, traf sich nach Büroschluss mit seiner Schwester und sah sich das Testament an. Es war mit einem Datum von vor zwei Monaten versehen und von Irene Pickering unterschrieben worden. Hinsichtlich der Handschrift gab es keinen Zweifel, obwohl sie eine weitaus zittrigere Version dessen war, was sie kannten. Seine Schwester hatte das Testament in einem schlichten Umschlag gefunden, der auf einem Regal mit Kochbüchern zwischen den Seiten einer alten Familienbibel steckte. Sie sprachen ihre Mutter darauf an, die über die Angelegenheit nicht reden wollte, mit der Begründung, sie sei zu schwach.
    Zu der Zeit besaß Mrs. Pickering einhundertzehntausend Dollar in Einlagenzertifikaten und achtzehntausend Dollar auf einem Girokonto. Lettie hatte Zugang zu den monatlichen Aus zügen dieser Konten.
    Am nächsten Morgen stellten Fritz und seine Schwester Lettie zur Rede, als diese zur Arbeit kam. Während eines häss lichen Streits behaupteten sie, Lettie habe ihre Mutter dazu überredet oder sogar gezwungen, das Testament zu schreiben. Sie bestritt, etwas davon gewusst zu haben, und schien wirklich überrascht, ja sogar gekränkt zu sein. Sie feuerten sie trotzdem und sorgten dafür, dass sie sofort das Haus verließ. Dann verfrachteten sie ihre Mutter ins Auto und fuhren mit ihr zu einer Anwaltskanzlei in Oxford, wo die Schwester lebte. Während sie warteten, formulierte der Anwalt ein aus zwei Seiten bestehendes Testament, das Lettie Lang nicht erwähnte und alles Fritz und seiner Schwester vermachte, zu gleichen Teilen, so, wie sie das schon oft mit ihrer Mutter besprochen hatten. Sie unterschrieb es an Ort und Stelle, starb einen Monat später, und die Testamentseröffnung lief völlig reibungslos ab. Fritz und seine Schwester verkauften das Haus und sämtlichen anderen Besitz ihrer Mutter und teilten den Erlös gleichmäßig unter sich auf, ohne dass ein einziges böses Wort fiel.
    Bevor ihre Mutter starb, fragten sie sie mehrmals über das handschriftliche Testament aus, aber sie war dann immer völlig aufgelöst und wollte nicht darüber reden. Und wenn sie sie zu Lettie Lang befragten, brachte sie das auch zum Weinen. Irgendwann hörten diese Gespräche auf. Ehrlich gesagt sei sie zu der Zeit, als sie in der Kanzlei des Anwalts das Testament unterschrieb, nicht so ganz bei sich gewesen, was bis zu ihrem Tod auch nicht wieder besser geworden sei.
    Als sie beim Kaffee angelangt waren, hörte Clapp mit wachsender Begeisterung zu. Fritz hatte ihm erlaubt, das Gespräch aufzuzeichnen, und Clapp konnte es kaum erwarten, Wade Lanier den Mitschnitt vorzuspielen.
    »Haben Sie eine Kopie des handschriftlichen Testaments behalten?«
    Fritz schüttelte den Kopf. »Ich kann mich nicht daran erinnern, und falls doch, ist sie schon lange nicht mehr da. Ich weiß wirklich nicht, wo sie sein könnte.«
    »Hat der Anwalt in Oxford das Testament in den Akten?«
    »Ich glaube, ja. Als wir Mutter zu ihm gebracht haben, haben wir ihm das Testament gegeben, das davor aufgesetzt worden war, von einem Anwalt in Oxford, und dazu das handschriftliche Testament. Ich bin sicher, er hat beide behalten. Er

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