Die Erbin
hinter sich zu und war weg. Um Punkt neun Uhr kam Portia herein. »Ich bin gerade Roxy auf der Straße begegnet, aber sie wollte nicht mit mir reden.«
»Sie ist weg. Hier ist mein Angebot: Sie können vorüber gehend als Sekretärin und Rezeptionistin arbeiten. Und ab jetzt sind Sie keine kleine Praktikantin mehr, sondern Anwaltsassistentin. Das ist eine Beförderung auf ganzer Linie.«
Sie nahm die Neuigkeit gelassen auf. »Ich kann nicht sehr schnell tippen«, meinte sie.
»Dann üben Sie.«
»Wie sieht das Gehalt aus?«
»Eintausend Dollar im Monat für die ersten zwei Monate, die als Probezeit gelten. Nach zwei Monaten unterhalten wir uns noch mal und reden über das Gehalt.«
»Arbeitszeiten?«
»8.30 bis 17.00 Uhr, dreißig Minuten Mittagspause.«
»Was ist mit Lucien?«, fragte sie.
»Was soll mit ihm sein?«
»Er ist hier unten. Da oben, im ersten Stock, wo es sicher ist, gefällt es mir sehr gut.«
»Hat er Sie belästigt?«
»Noch nicht. Jake, ich mag Lucien, und wir arbeiten gut zusammen, aber manchmal habe ich das Gefühl, er würde mir gern ein bisschen näherkommen. Sie verstehen, was ich meine?«
»Ich glaube, ja.«
»Wenn er mich anfasst, fliegt er quer durchs Zimmer.«
Jake lachte, als er sich das vorstellte. Er hatte absolut keinen Zweifel daran, dass Portia auf sich selbst aufpassen konnte. »Ich muss mit ihm reden. Lassen Sie mich das machen. Ich werde ihn warnen.«
Portia holte tief Luft und sah sich in der Kanzlei um. Sie nickte und lächelte. »Aber ich bin keine Sekretärin. Ich werde Anwältin sein, so wie Sie.«
»Und ich werde Ihnen auf jede mögliche Weise dabei helfen.«
»Danke.«
»Ich will eine Antwort haben. Jetzt. Auf der Stelle.«
»Aber den Prozess will ich nicht verpassen. Wenn ich an diesem Schreibtisch festklebe, werde ich beim Prozess nicht dabei sein können, stimmt’s?«
»Darüber machen wir uns später Gedanken. Zurzeit brauche ich Sie hier unten.«
»Okay.«
»Dann sind wir uns also einig?«
»Nein. Eintausend im Monat ist zu wenig für eine Sekre tärin, Rezeptionistin und Anwaltsassistentin in einem.«
Jake schlug die Hände über dem Kopf zusammen und wusste, dass er verloren hatte. »Was haben Sie sich denn so vorge stellt?«
»Zweitausend sind eher marktüblich.«
»Was zum Teufel wissen Sie über den Markt?«
»Nicht viel, aber ich weiß, dass eintausend Dollar im Monat zu wenig sind.«
»Okay. Fünfzehnhundert im Monat für die ersten zwei Monate, dann sehen wir weiter.«
Portia machte einen Satz auf ihn zu, umarmte ihn kurz und sagte: »Danke, Jake!«
Eine Stunde später musste sich Jake um die zweite Personalkrise an diesem Morgen kümmern. Mit einem kurzen Klopfen platzte Lucien in sein Büro und ließ sich auf einen Stuhl fallen. »Jake«, begann er in einem Ton, der nichts Gutes verhieß, »ich habe eine Entscheidung getroffen. Seit Monaten, ja sogar Jahren überlege ich, ob ich meine erneute Zulassung beantragen und mein Comeback starten soll.«
Jake, der gerade eine Antwort auf einen von Stillman Rush gestellten Antrag formulierte, legte den Stift weg und schaffte es, Lucien nachdenklich anzusehen. Das Wort »Comeback« war bis jetzt nie gefallen, aber in den letzten drei Monaten hatte Lucien es geschafft, jeden anderen nur möglichen Hinweis darauf anzubringen, dass er wieder ein richtiger Anwalt werden wollte. Obwohl Jake befürchtet hatte, dass es irgendwann so weit kommen würde, steckte er jetzt in der Zwickmühle. Er wollte ihn nicht in der Kanzlei haben, vor allem nicht als Anwalt. Lucien als unbetitelter und unbezahlter Berater war schon eine Zumutung gewesen. Als Anwalt wäre er der Chef, und das würde Jake nicht lange aushalten. Doch als Freund war Lucien jener Mann, der Jake einen Job, ein Büro, eine Karriere gegeben hatte und so loyal wie kein anderer gewesen war.
»Warum?«, wollte Jake wissen.
»Ich vermisse es. Ich bin zu jung, um auf der Veranda rumzusitzen. Werden Sie mir helfen?«
Die einzige Antwort darauf war Ja. »Natürlich. Sie wissen, dass ich Ihnen helfen werde. Aber wie?«
»Moralische Unterstützung, Jake, zumindest am Anfang. Wie Sie wissen, muss ich zuerst die Anwaltsprüfung bestehen, bevor ich eine erneute Zulassung bekommen kann. Für einen alten Sack wie mich ist das nicht so einfach.«
»Sie haben es einmal geschafft, Sie können es noch mal schaf fen«, sagte Jake mit der Überzeugung, die von ihm erwartet wurde. Er bezweifelte ernsthaft, ob es Lucien gelingen würde, ganz von vorn
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