Die Erbin
auch noch den meistgehassten Namen im County. Die Scheidung einzureichen sei keine Alternative, sondern ein Muss. Doch die Scheidung könne unmöglich bis zum Prozessbeginn am 3. April abgeschlossen sein. Ihr Name im Testament sei Lang, er sei jetzt Lang, und er werde während des Prozesses Lang sein. Wenn er, Lucien, an Wade Laniers Stelle wäre, würde er die Geschworenen so weit bringen, dass sie jeden Lang, der jemals gelebt habe, hassten.
»Tut mir leid, Portia«, sagte Lucien. »Das ist nicht böse gemeint. Aber es wird mit Sicherheit so sein.« Portia verstand, zumindest versuchte sie es. Sie war zu müde, um viel zu sagen. Ihre Mutter und ihre Schwestern hatte sie im Haus zurückgelassen, wo sie sich im Morgenmantel um das Feuer im Wohn zimmer geschart hatten, mit dem Revolver auf dem Kamin sims, und sich fragten, ob sie die Kinder zur Schule schicken konnten und was sie ihnen sagen sollten. Kirk, der in die zehnte Klasse der Clanton High ging, kannte die Jungen der Rostons und schwor, dass er nie wieder in diese Schule gehen werde. Es seien so nette Jungs gewesen. Und er hasse seinen Vater. Sein Leben sei vorbei. Er wolle nur noch weg, wie Portia zur Army gehen und nie zurückkommen.
Jake und Harry Rex hatten über Möglichkeiten gesprochen, den Prozess zu verzögern. Falls sie ihn verschleppten, falls sich das Verfahren hinzog, hätte Harry Rex genug Zeit, die Scheidung durchzubekommen. Die Justizbehörde hätte genug Zeit, Simeon zu verurteilen und wegzuschaffen. Und das County würde Abstand gewinnen zu der entsetzlichen Tragödie, den beiden Beerdigungen und dem Kampf um Seth Hubbards Nach lass. Wo würden sie in sechs Monaten stehen? Lettie würde geschieden sein, sie konnte ihren alten Namen wieder annehmen. Lettie Tayber. Das klang viel besser, allerdings musste Portia sich ins Gedächtnis rufen, dass sie weiterhin Lang heißen würde. Simeon würde im Gefängnis sitzen. Sistrunk hätten alle vergessen. Die Bedingungen für einen fairen Prozess würden in sechs Monaten sicher weitaus besser sein. Aber Jakes Gegner würden lautstark Einspruch erheben, was ihnen mit einem solchen Trumpf in der Hand auch nicht zu verdenken war.
Jake war zuversichtlich, dass er ein Gespräch mit Richter Atlee arrangieren konnte, vielleicht wieder an einem Freitagnachmittag auf der Veranda mit Whiskey Sour. Und wenn die Wirkung des Alkohols einsetzte, wollte er einen Aufschub oder die Verlegung des Verhandlungsortes ansprechen. Es war einen Versuch wert. Der einzige Nachteil bestand darin, dass er den Richter durch einen derart offensichtlichen Versuch der Beeinflussung verärgern würde. Aber was sollte Atlee anderes tun, als Jake zu sagen, er solle die Klappe halten? Das würde er nicht tun, nicht nach zwei Whiskey Sour. Das Gespräch würde ihm nicht gefallen, doch er würde Jake nie mit einer Strafe belegen. Eine kleine Standpauke vielleicht, aber nichts, was dauerhaften Schaden anrichten würde.
Lassen wir etwas Zeit verstreichen, sagte Jake. Warten wir ab, bis Wut, Entsetzen und Trauer nicht mehr so frisch sind und nachlassen. Am Montag würden sie die Scheidung einreichen, und in einer Woche oder so wollte er mit Richter Atlee sprechen.
Quince Lundy kam zu einem seiner beiden wöchentlichen Besuche in die Kanzlei. Er fand die anderen im Konferenzraum, wo sie sich um den Tisch versammelt hatten, schweigend, in gedrückter Stimmung, fast schwermütig, während sie die Wände anstarrten und sich eine düstere Zukunft ausmalten. Lundy hatte im Lokalsender von Clanton von dem Unfall gehört, als er von Smithfield herübergefahren war. Er wollte fragen, was die Tragödie für den Prozess bedeutete, doch nach ein paar Momenten im Konferenzraum hatte er auch ohne Worte den Eindruck, dass der Prozess in ernsten Schwierigkeiten steckte.
Willie Hastings war einer von vier schwarzen Deputys unter Ozzies Mitarbeitern. Seine Cousine war Gwen Hailey, Frau von Carl Lee und Mutter von Tonya, die inzwischen dreizehn Jahre und ein fröhliches Mädchen war. Er klopfte an die Eingangstür des Sappington-Hauses und wartete, während er von drinnen eilige Schritte hörte. Schließlich wurde die Tür einen Spaltbreit geöffnet, und Lettie spähte heraus.
»Guten Morgen, Mrs. Lang. Sheriff Walls schickt mich.«
Die Tür öffnete sich etwas weiter, und Lettie zwang sich zu einem Lächeln. »Sind Sie das, Willie?«, fragte sie. »Möchten Sie nicht reinkommen?«
Als Hastings das Haus betrat, stellte er fest, dass die Kinder im
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