Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Erbin

Die Erbin

Titel: Die Erbin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
Vom Netzwerk:
kam hin und wieder vorbei und brachte ihm Milchshakes mit, aber die Drogen wurden mit keinem Wort erwähnt. Nach einigen Besuchen sagte der Detective, er könne absolut nichts zu einem Mann namens Lonny Clark finden. Geburtsort, Geburtsdatum, Sozialversicherungsnummer, Wohnsitz? Irgendetwas, Lonny?
    Lonny, der sein ganzes Leben auf der Flucht verbracht hatte, wurde misstrauisch und weniger redselig. »Haben Sie je einen Mann namens Harry Mendoza gekannt?«, fragte der Detective.
    »Kann schon sein«, erwiderte Lonny.
    Oh, tatsächlich? Von wo und wann? Wie? Unter welchen Umständen? Nichts.
    Was ist mit Albert Johnson oder Charles Noland? Lonny sagte, es sei möglich, dass er diese Männer vor langer Zeit einmal getroffen habe, aber er sei nicht sicher. Sein Gedächtnis sei lückenhaft, es komme und gehe. Schließlich habe er einen gebrochenen Schädel und ein gequetschtes Gehirn, und an die Zeit vor der Schlägerei könne er sich kaum erinnern. Warum die vielen Fragen?
    Inzwischen wusste Lonny, dass die Polizei in seinem Zimmer gewesen war, aber er war sich nicht sicher, ob sie das Kokain gefunden hatte. Es war sehr gut möglich, dass der Mann, dem das Kokain gehörte, kurze Zeit nach der Schlägerei in die Absteige gegangen und die Drogen mitgenommen hatte. Lonny war kein Dealer; er tat nur einem Freund einen Gefallen, für den er gut bezahlt werden sollte. Die Frage war also, ob die Polizei das Kokain gefunden hatte oder nicht. Falls ja, steckte Lonny in ernsthaften Schwierigkeiten. Je weniger er sagte, desto besser. Er hatte schon vor Jahrzehnten gelernt, dass man nur eines tun konnte, wenn die Polizei anfing, schwierige Fragen zu stellen: leugnen, leugnen, leugnen.
    Jake saß gerade an seinem Schreibtisch, als Portia von unten anrief. »Albert Murray für Sie.« Jake schnappte sich den Hörer und sagte Hallo.
    Murray hatte eine Agentur in Washington, D.C. , die darauf spezialisiert war, vermisste Personen zu finden. Bis jetzt hatte Seth Hubbards Nachlass der Agentur zweiundvierzigtausend Dollar gezahlt, um einen seit Langem verschollenen Bruder zu finden, aber so gut wie nichts dafür bekommen. Die Ergebnisse der Agentur waren alles andere als beeindruckend, doch ihr Abrechnungsverfahren konnte es mit dem von Anwaltskanzleien in Großstädten aufnehmen.
    Murray, der von Haus aus skeptisch war, begann mit: »Wir haben einen ersten Hinweis zu Ancil Hubbard, aber geraten Sie nicht gleich aus dem Häuschen.« Er gab die Fakten weiter, die er kannte: ein falscher Lonny, eine Kneipenschlägerei in Juneau, eine Schädelfraktur, eine Menge Kokain und gefälschte Papiere.
    »Er ist sechsundsechzig Jahre alt und handelt mit Drogen?«, fragte Jake.
    »Für Drogenhändler gibt es kein vorgeschriebenes Renten alter.«
    »Danke.«
    »Jedenfalls ist der Kerl ziemlich clever und gibt nichts zu«, fuhr Murray fort.
    »Wie schwer ist er verletzt?«
    »Er liegt seit einer Woche im Krankenhaus. Von dort wird er direkt ins Gefängnis gehen, daher haben es die Ärzte nicht eilig. Eine Schädelfraktur ist eine Schädelfraktur.«
    »Wenn Sie das sagen.«
    »Die Polizei dort wundert sich über die Entlassungspapiere der Navy. Sie scheinen echt zu sein und passen irgendwie nicht zu dem Ganzen. Ein falscher Führerschein und ein falscher Reisepass sind ja ganz nützlich, aber Entlassungspapiere, die über dreißig Jahre alt sind? Warum würde ein Schwindler wie er so etwas brauchen? Sie könnten natürlich auch gestohlen sein.«
    »Und damit wären wir wieder bei der gleichen Frage angelangt«, meinte Jake. »Wie überprüfen wir seine Identität, wenn wir ihn fin den?«
    »Sie sagen es.«
    Es gab keine Fotos von Ancil Hubbard, die ihnen dabei helfen konnten. In einer Schachtel in Seth Hubbards Schrank hat ten sie mehrere Dutzend Familienfotos gefunden, hauptsächlich von Ramona, Herschel und Seths erster Frau. Aus Seths Kindheit gab es keine Fotos, auch kein einziges Foto seiner Eltern oder seines jüngeren Bruders. Aus den Aufzeichnungen der Schule ließ sich nachweisen, dass er sie bis zur neunten Klasse besucht hatte, und auf einem Gruppenfoto, das 1934 in der Junior High School von Palmyra aufgenommen worden war, tauchte sein unscharfes, lächelndes Gesicht auf. Das Foto war vergrößert wor den, zusammen mit einigen anderen, die Seth als Erwachsenen zeigten. Da Ancil seit fünfzig Jahren nicht mehr in Ford County gesehen worden war, gab es keinen einzigen Menschen, der wusste, ob er als Kind nach seinem älteren Bruder gekommen war

Weitere Kostenlose Bücher