Die Erbin
bezahlen, kam ein richtiger Geschworenenberater nicht infrage. Portias Aufgabe war es, Daten zusammentragen, oder besser gesagt: die Übersicht über die zusammengetragenen Daten zu behalten. Um 16.30 Uhr am Montag versammelten sich Portia, Jake, Lucien und Harry Rex in einem Arbeitsraum im ersten Stock, der neben ihrem alten Büro lag. Anwesend war auch Nick Norton, ein Anwalt aus einer Kanzlei auf der anderen Seite des Clanton Square, der zwei Jahre zuvor Marvis Lang vertreten hatte.
Sie gingen alle siebenundneunzig Namen durch.
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Aufgrund von Aussehen und Akzent war Lonny klar, dass er es mit einem Haufen Russen zu tun hatte, und nachdem er eine Stunde zugesehen hatte, wie sie Wodka aus Wassergläsern tran ken, war er felsenfest davon überzeugt. Ungehobelt, strohdumm und auf Ärger aus. Sie hatten sich ausgerechnet den Abend ausgesucht, an dem nur einer der beiden Rausschmeißer Dienst hatte. Der Besitzer der Kneipe hatte gedroht, allen Russen Lokal verbot zu erteilen, was er natürlich nicht getan hatte. Lonny hielt sie für Matrosen von einem Frachtschiff, vermutlich eines, das Getreide aus Kanada transportierte.
Er rief den zweiten Rausschmeißer zu Hause an, bekam aber keine Antwort. Der Besitzer war nicht da, und im Moment war Lonny der Chef. Die Russen bestellten noch mehr Wodka. Lonny überlegte, ob er den Wodka mit Wasser verdünnen sollte, aber das hätten die Jungs sofort bemerkt. Als einer von ihnen der Kellnerin einen Klaps auf den wohlgeformten Hintern gab, ging alles sehr schnell. Der Rausschmeißer, ein Typ, der noch vor keiner Schlägerei zurückgeschreckt war, brüllte den Russen an, der in einer anderen Sprache zurückbrüllte und wutent brannt aufstand. Er schlug zu, traf aber nicht. Dann schlug der Rausschmeißer zu und traf. Von der anderen Seite des Raums aus schleuderte eine Gruppe patriotischer Motorradfahrer ihre Bierflaschen auf die Russen, die jetzt alle loslegten. Lonny mur melte »Oh, Scheiße!« und überlegte, ob er durch die Küche verschwinden sollte, aber er kannte das alles schon. In der Kneipe ging es zuweilen etwas rustikal zu, was auch der Grund dafür war, dass er so gut bezahlt wurde, und das auch noch in bar.
Als eine andere Kellnerin niedergeschlagen wurde, kam Lonny hinter der Theke hervor, um ihr zu helfen. Das Handgemenge tobte ganz in seiner Nähe, und als er die Hand ausstreckte, um nach der Frau zu greifen, wurde er von einem stumpfen Gegenstand am Hinterkopf getroffen. Er war sofort bewusstlos. Blut floss aus der Wunde und tränkte seinen langen grauen Pfer deschwanz. Mit sechsundsechzig war Lonny einfach zu alt für so etwas.
Er lag zwei Tage lang bewusstlos im Krankenhaus von Juneau. Der Besitzer der Kneipe meldete sich und gab zu, dass er keine Papiere für den Mann hatte. Nur einen Namen: Lonny Clark. Im Krankenhaus drückte sich ein Detective herum, und als sich herausstellte, dass Lonny vielleicht nie wieder aufwachen würde, wurde ein Plan ausgeheckt. Der Besitzer der Kneipe sagte ihm, in welcher Absteige Lonny wohnte, und ein paar Polizisten brachen die Tür auf. Bis auf wenige persönliche Sachen fanden sie dreißig Kilo Kokain, ordentlich in Folie verpackt und allem Anschein nach unberührt. Unter der Matratze entdeckten sie außerdem eine billige Plastikmappe mit Reißverschluss. Darin befanden sich zweitausend Dollar in bar, ein Führerschein aus Alaska auf den Namen Harry Mendoza, der sich als gefälscht herausstellte, ein Reisepass auf den Namen Albert Johnson, ebenfalls gefälscht, noch ein gefälschter Reisepass auf den Namen Charles Noland, ein gestohlener Führerschein aus Wisconsin auf den Namen Wilson Steglitz, der abgelaufen war, und vergilbte Entlassungspapiere der Navy für einen gewissen Ancil F. Hubbard mit Datum Mai 1955. Die Mappe enthielt Lonnys weltliche Besitztümer, mit Ausnahme des Kokains natürlich, das einen Straßenverkaufswert von ungefähr 1,5 Millionen Dollar hatte.
Die Polizei brauchte mehrere Tage, um die Papiere zu überprüfen, und bis dahin war Lonny aufgewacht und fühlte sich schon etwas besser. Es wurde beschlossen, ihn erst nach dem Kokain zu fragen, wenn er so weit war, dass er entlassen werden konnte. Vor seinem Zimmer wurde ein Polizist in Zivil postiert. Da Ancil F. Hubbard und Wilson Steglitz anscheinend die einzigen echten Namen in Lonnys Arsenal waren, wurden sie in die landesweite Verbrechensdatenbank eingegeben, um herauszufinden, ob sich dort etwas fand. Der Detective fing an, mit Lonny zu plaudern,
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