Die Erbin
unerträglichen Schmerzen gequält wird und starke Schmerzmittel nimmt, einen traurigen, einsamen, unver heirateten Mann, der den Kontakt zu seinen Kindern und Enkelkindern verloren hat, einen verbitterten, sterbenden alten Mann ohne jede Hoffnung, dem nur ein Mensch geblieben ist, der ihm nahe genug steht, um ihm zuzuhören und ihn zu trösten, nämlich Lettie Lang. Wir werden nie erfahren, wie nah sich die beiden wirklich gekommen sind. Wir werden nie erfahren, was zwischen ihnen geschehen ist. Aber wir kennen das Ergebnis. Meine Damen und Herren, dies ist ein klarer Fall eines Mannes, der sich von jemandem, der es auf sein Geld abgesehen hat, zu einem furchtbaren Fehler verleiten lässt.«
Als Lanier sich setzte, sagte Richter Atlee: »Rufen Sie Ihren ersten Zeugen auf, Mr. Brigance.«
»Die Antragsteller rufen Sheriff Ozzie Walls auf.« Ozzie, der in der zweiten Reihe saß, eilte zum Zeugenstuhl und wurde beeidigt. Quince Lundy, der in seiner vierzigjährigen Tätigkeit als Anwalt alles getan hatte, um sich von Gerichtsverhandlungen fernzuhalten, saß rechts von Jake an dessen Tisch. Jake hatte ihn angewiesen, gelegentlich einen Blick auf die Geschworenen zu werfen und sich Beobachtungen zu notieren. Als Ozzie Platz nahm, schob Lundy Jake einen Zettel zu.
Sie waren klasse. Lanier auch. Die Geschworenen sind hin- und hergerissen. Wir sind erledigt.
Vielen Dank, dachte Jake.
Portia schob ihm ihren Block zu. Frank Doley ist Gift für uns, hatte sie notiert.
Was für ein Team, dachte Jake. Jetzt fehlte nur noch Lucien, der ihm absurde Ratschläge ins Ohr flüsterte und den gesamten Sitzungssaal gegen sie aufbrachte.
Von Jake befragt, schilderte Ozzie, wie sich der Suizid ereignet hatte. Dazu verwendete er vier große Farbfotos, die den im Baum hängenden Seth Hubbard zeigten. Die Geschworenen bekamen sie zu sehen und waren gebührend entsetzt. Jake hatte Einspruch gegen die Verwendung der Fotos erhoben, weil sie ihm zu drastisch erschienen. Lanier hatte Einspruch erhoben, weil er keine Sympathien für Hubbard wecken wollte. Letzt endlich entschied Richter Atlee, die Geschworenen müssten sie zu Gesicht bekommen. Als sie wieder eingesammelt und als Be weismittel zu den Akten genommen waren, legte Ozzie den Abschiedsbrief vor, den Hubbard auf seinem Küchentisch für Calvin Boggs hinterlassen hatte. Die Mitteilung wurde auf einer großen Leinwand gezeigt, die vor den Geschworenen bänken aufgestellt worden war, und jeder Geschworene erhielt eine Kopie. Sie lautete wie folgt: »Für Calvin. Bitte teilen Sie der Polizei mit, dass ich mir das Leben genommen habe und dass mir niemand dabei geholfen hat. Auf dem beigefügten Blatt habe ich Anweisungen zu meiner Bestattung und Trauerfeier aufgeschrieben. Keine Autopsie! S. H. Sonntag, 2. Oktober 1988.«
Jake legte die Originale der Anweisungen für Trauerfeier und Bestattung vor, die ohne Einspruch zugelassen und auf der gro ßen Leinwand gezeigt wurden. Alle Geschworenen erhielten eine Kopie. Die Anweisungen lauteten wie folgt:
Anweisungen für die Trauerfeier:
Ich will eine einfache Trauerzeremonie in der Irish Road Christian Church am Dienstag, den 4. Oktober, um sechzehn Uhr, gehalten von Reverend Don McElwain. Ich möchte, dass Mrs. Nora Baines »The Old Rugged Cross« singt. Ich möchte nicht, dass jemand eine Rede hält. Wer sollte das auch wollen. Ansonsten darf der Reverend sagen, was er will. Dreißig Minuten max.
Sollten Schwarze teilnehmen wollen, so soll ihnen der Zutritt zur Kirche gewährt werden. Andernfalls findet keine Feier statt. Dann lasse ich mich so verscharren.
Meine Sargträger sind: Harvey Moss, Duane Thomas, Steve Holland, Billy Bowles, Mike Mills und Walter Robinson.
Anweisungen für die Beerdigung:
Ich habe erst kürzlich ein Grab auf dem Friedhof der Irish Road Christian Church gekauft. Mit Mr. Magargel, dem Bestatter, ist bereits alles abgesprochen. Der Sarg ist bezahlt. Die Beisetzung nach der Trauerf eier soll max. fünf Minuten dauern.
Bis dann.
Man sieht sich im Jenseits.
Seth Hubbard
Jake wandte sich an den Zeugen. »Sheriff Walls, ist es richtig, dass dieser Abschiedsbrief und die Anweisungen von Ihnen und Ihren Beamten in Seth Hubbards Haus entdeckt wurden, kurz nachdem Sie die Leiche gefunden hatten?«
»Das ist richtig.«
»Was haben Sie damit getan?«
»Wir haben sie in Verwahrung genommen, Kopien angefertigt und sie am folgenden Tag im Haus von Mr. Hubbard dessen Familie übergeben.«
»Keine weiteren Fragen,
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