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Die Erbin

Die Erbin

Titel: Die Erbin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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Arbeitgebers immer näher rückte, dachte sie ganz bestimmt an Geld, das ist uns doch allen klar. Das liegt in der menschlichen Natur. Es ist nicht ihre Schuld. Ich will nicht behaupten, dass sie böse oder gierig war. Wer von uns hätte nicht an das Geld gedacht?
    An diesem Samstagvormittag im Oktober fuhr Lettie Lang ihren Arbeitgeber zu seinem Büro, wo beide zwei Stunden lang allein waren. Und in dieser Zeit wechselte eines der größten Vermögen in der Geschichte unseres Bundesstaates den Eigen tümer. Vierundzwanzig Millionen Dollar wanderten von der Familie Hubbard an eine Haushälterin, die Seth Hubbard erst seit drei Jahren kannte.«
    Gekonnt legte Lanier eine Pause ein, während sein letzter Satz durch den Saal hallte.
    Verdammt, ist der gut, dachte Jake, während er beiläufig einen Blick auf die Geschworenen warf, als wäre alles in schönster Ordnung.
    Frank Doley fixierte ihn mit einem Blick voller Verachtung.
    Lanier senkte die Stimme und fuhr fort. »Wir werden versuchen nachzuweisen, dass Mrs. Lang Seth Hubbard in unzulässiger Weise beeinflusst hat. Der Schlüssel zu dieser Sache ist die Frage der unzulässigen Beeinflussung, die sich durch verschiedene Umstände nachweisen lässt. Ein Anzeichen für eine unzulässige Beeinflussung ist eine ungewöhnliche oder unangemessene Zuwendung. Mr. Hubbards Zuwendung an Mrs. Lang ist extrem, geradezu absurd ungewöhnlich und unangemessen. Ich bitte um Nachsicht. Mir fällt gar kein Adjektiv ein, mit dem ich das treffend beschreiben könnte. Neunzig Prozent von vierundzwanzig Millionen? Und nichts für seine Familie? Wenn das nicht ungewöhnlich ist! Da, wo ich herkomme, nennt man so etwas ungewöhnlich. Das riecht nach unzulässiger Beeinflussung. Wenn er etwas für seine Haushälterin hätte tun wollen, hätte er ihr eine Million Dollar vermachen können. Das wäre ganz schön großzügig gewesen. Zwei Millionen? Fünf Millio nen? Meiner bescheidenen Meinung nach wäre alles über eine Million Dollar in Anbetracht der kurzen Dauer ihrer Beziehung als ungewöhnlich und unangemessen zu werten.«
    Lanier trat erneut ans Rednerpult und warf einen Blick auf seine Notizen, dann sah er auf die Uhr. Acht Minuten, und er hatte keine Eile. »Wir werden versuchen, eine ungebührliche Beeinflussung nachzuweisen, indem wir uns mit dem früheren Testament von Seth Hubbard befassen. Dieses Testament wurde von einer führenden Kanzlei in Tupelo ein Jahr vor Mr. Hubbards Tod erstellt und sah vor, dass fünfundneunzig Prozent seines Nachlasses an seine Familie gehen sollte. Es ist eine komplizierte Verfügung voller juristischer Fachausdrücke, die nur Steueranwälte verstehen. Ich begreife es selbst nicht, und wir werden versuchen, Sie nicht damit zu langweilen. Zweck der Auseinandersetzung mit diesem früheren Testament ist es nachzuweisen, dass Mr. Hubbard keineswegs klar dachte. Da das frühere Testament von Steueranwälten verfasst wurde, die wuss ten, was sie taten, und nicht von einem Mann, der kurz da vor stand, sich zu erhängen, wurden alle erdenklichen Steuer schlupflöcher genutzt. Dadurch konnten mehr als drei Mil lionen Dollar Steuern gespart werden. Gemäß Mr. Hubbards handschriftlichem Testament bekommt das Finanzamt einundfünfzig Prozent, das sind mehr als zwölf Millionen Dollar. Dem früheren Testament zufolge gehen nur neun Millionen Dollar an das Finanzamt. Mr. Brigance will uns glauben machen, dass Seth Hubbard genau wusste, was er tat. Ich bezweifle das. Führen Sie sich das einmal vor Augen: Ein Mann, der gewieft und clever genug ist, um in zehn Jahren ein solches Vermögen an zuhäufen, schmiert doch nicht einfach ein handschriftliches Dokument zusammen, das seinen Nachlass drei Millionen Dol lar kostet. Das ist absurd! Das ist ungewöhnlich und unan gemessen!«
    Er stützte sich mit den Ellbogen auf das Rednerpult und legte die Finger aneinander. Dabei blickte er in die erwartungsvollen Augen der Geschworenen. »Lassen Sie mich zum Schluss kommen«, sagte er schließlich. »Ich muss sagen, Sie haben Glück, dass ich genauso wenig von langen Reden halte wie Jake Brigance. Und wie Richter Atlee.« Einige der Geschworenen lächelten. Das war schon fast lustig. »Ich möchte mit einem ersten Gedanken enden, einem Bild, mit dem ich in diese Verhand lung gehen möchte. Stellen Sie sich Seth Hubbard am 1. Oktober letzten Jahres vor, einen Mann, der weiß, dass er sterben muss, und der beschlossen hat, sein Ende zu beschleunigen. Einen Mann, der von

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