Die Erbin
einnahm, keine wichtigen Entscheidungen treffen sollte, vor allem nicht, wenn es um viel Geld ging. Ein solcher Patient sollte sich möglichst ruhig verhalten und schonen – keine Auto fahrten, keine körperliche Betätigung, keine wichtigen Ent scheidungen.
Nachdem der Arzt entlassen war, rief Jake Arlene Trotter auf, Seths langjährige Sekretärin und Büroleiterin. Sie war seine letzte Zeugin vor Lettie, und da es schon fast siebzehn Uhr war, beschloss Jake, sich Lettie für Mittwochmorgen aufzuheben. Er hatte seit Seths Tod oft mit Arlene gesprochen und war nervös wegen ihrer Aussage. Allerdings hatte er keine Wahl. Wenn er sie nicht aufrief, würde Wade Lanier es mit Sicherheit tun. Sie hatte ihre Zeugenaussage Anfang Februar zu Protokoll gegeben, und Jake hatte das Gefühl, dass sie mit etwas hinter dem Berg hielt. Nach vier Stunden war er fest davon überzeugt, dass sie von Lanier oder jemandem, der für ihn arbeitete, beeinflusst worden war. Trotzdem hatte sie in der letzten Woche von Seths Leben mehr Zeit mit ihm verbracht als irgendwer sonst, und ihre Aussage war wesentlich.
Als sie schwor, die Wahrheit zu sagen, und Platz nahm, wirkte sie ziemlich eingeschüchtert. Sie warf einen Blick auf die Geschworenen, die sie genau beobachteten. Jake begann mit beiläufigen Fragen, die sich leicht beantworten ließen, und sie schien sich ein wenig zu beruhigen. Er stellte fest, dass Seth in der Woche vor seinem Tod von Montag bis Freitag jeden Morgen gegen neun Uhr ins Büro gekommen war, also später als üblich. Er war generell bis mittags optimistisch und guter Stimmung, dann hielt er auf dem Sofa in seinem Büro ein langes Nickerchen. Er aß nichts, obwohl Arlene ihm immer wieder Snacks und Sandwichs anbot. Er rauchte nach wie vor, hatte es nie geschafft aufzuhören. Wie immer, blieb seine Tür geschlossen, sodass Arlene nicht genau wusste, was er tat. Aller dings war er die ganze Woche über beschäftigt, weil er drei Forstparzellen in South Carolina verkaufen wollte. Er tele fonierte viel, was nicht ungewöhnlich war. Mindestens einmal pro Stunde verließ er das Gebäude und machte einen Spaziergang auf dem Betriebsgelände. Er blieb stehen und un terhielt sich mit Mitarbeitern. Er flirtete mit Kamila, dem Mädchen am Empfang. Arlene wusste, dass er starke Schmerzen hatte, weil er es manchmal nicht verbergen konnte, auch wenn er es nie zugab. Einmal rutschte ihm heraus, dass er Demerol nehme, aber das Pillenglas selbst hatte sie nie ge sehen.
Nein, er hatte nicht benebelt gewirkt. Er hatte nicht gelallt. Manchmal war er erschöpft, und er hielt immer wieder ein Nickerchen. Normalerweise ging er zwischen drei und vier.
Jake gelang es, das Bild eines Mannes zu zeichnen, der immer noch alles unter Kontrolle hatte, der Herr im Haus blieb, wie in guten Zeiten. Fünf Tage hintereinander, bevor er das neue Testament verfasste, war Seth Hubbard im Büro, am Telefon, kümmerte sich um sein Geschäft.
Wade Lanier begann sein Kreuzverhör mit den Worten: »Fangen wir mit diesem Forstland in South Carolina an, Mrs. Trotter. Hat Seth Hubbard die drei Parzellen verkauft?«
»Ja, das hat er.«
»Und wann?«
»Am Freitagvormittag.«
»Am Vormittag des Freitags vor dem Samstag, an dem er sein Testament schrieb, richtig?«
»Richtig.«
»Hat er irgendeinen Vertrag unterschrieben?«
»Ja. Der wurde an mich gefaxt, und ich brachte ihn Mr. Hub bard. Er unterzeichnete ihn, und ich faxte ihn wieder an die Anwälte in Spartanburg.«
Lanier griff nach einem Dokument. »Euer Ehren, ich habe hier Beweismittel C-5, das bereits zugelassen und zu den Akten genommen wurde.«
»Fahren Sie fort«, sagte Richter Atlee.
Lanier gab Arlene das Dokument. »Würden Sie dies bitte identifizieren?«
»Ja. Das ist der Vertrag, den Mr. Hubbard am Freitagvormittag unterzeichnet und mit dem er die drei Parzellen in South Carolina verkauft hat.«
»Und wie viel sollte Mr. Hubbard dafür erhalten?«
»Insgesamt achthundertzehntausend Dollar.«
»Achthundertzehn. Mrs. Trotter, wie viel hat Mr. Hubbard für dieses Forstland bezahlt?«
Sie stockte einen Augenblick und warf einen nervösen Sei tenblick auf die Geschworenen. »Sie haben die Unterlagen doch, Mr. Lanier.«
»Natürlich.« Lanier holte drei weitere Beweismittel hervor, die alle vorab registriert und zugelassen worden waren. Das war keine Überraschung; Jake und Lanier hatten wochenlang über Beweismittel und Dokumente gestritten. Richter Atlee hatte sie längst für
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