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Die Erbin

Die Erbin

Titel: Die Erbin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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Lanier schwächelte. Er befragte Ramona viel zu lange, und die Aufmerksamkeit im Saal ließ nach. Ihre Stimme war nervig, und ihr aufgesetztes Geflenne langweilte. Die Beobachter litten genauso wie sie, und als Lanier schließlich »Ihre Zeu gin« sagte, schlug Richter Atlee rasch mit dem Hammer auf den Richtertisch und verkündete eine fünfzehnminütige Unter brechung.
    Die Geschworenen verließen den Raum, und der Sitzungssaal leerte sich. Jake blieb an seinem Tisch sitzen, genau wie Lettie. Sie konnten einander nicht länger ignorieren. Portia rückte ihren Stuhl näher heran, sodass alle drei die Köpfe zusammenstecken und sich leise unterhalten konnten.
    »Es tut mir so leid, Jake«, begann Lettie. »Was habe ich bloß getan?« Ihre Augen wurden sofort feucht.
    »Warum haben Sie mir nichts davon gesagt, Lettie? Wenn ich von den Pickerings gewusst hätte, hätte ich mich vorbereiten können.«
    »Es war alles ganz anders, Jake. Ich schwöre, dass ich mit Miss Irene nie über das Testament gesprochen habe. Nicht bevor sie es geschrieben hat und auch nicht später. Ich wusste gar nichts davon, bis ich an diesem Morgen in die Arbeit kam und plötzlich der Teufel los war. Das schwöre ich Ihnen. Sie müssen mir erlauben, das den Geschworenen zu erklären. Ich kann dafür sorgen, dass sie mir glauben.«
    »So einfach ist das nicht. Wir reden später darüber.«
    »Die mögen Ramona nicht«, sagte Portia.
    »Verständlich. Ich muss zur Toilette. Hat Lucien sich ge meldet?«
    »Nein, ich habe in der Mittagspause den Anrufbeantworter abgehört. Ein paar Anwälte, ein paar Journalisten und eine Morddrohung.«
    »Eine was?«
    »Irgend so ein Kerl hat gesagt, dass sie Ihr Haus nieder brennen werden, wenn Sie ›diesen Negern‹ das ganze Geld zuschustern.«
    »Sehr freundlich. Gefällt mir geradezu. Das weckt schöne Erinnerungen an den Hailey-Prozess.«
    »Ich habe die Nachricht gespeichert. Soll ich Ozzie infor mieren?«
    »Unbedingt.«
    Harry Rex fing Jake vor der Toilette ab. »Ich habe mit Chilcott geredet. Kein Deal. Kein Interesse an Vergleichsverhandlungen. Tatsächlich hat er mir praktisch ins Gesicht gelacht und gemeint, sie hätten noch ein oder zwei Überraschungen in petto.«
    »Was?«, fragte Jake panisch.
    »Das hat er mir natürlich nicht gesagt. Sonst wäre es ja keine Überraschung mehr.«
    »Noch so einen Überfall überstehe ich nicht, Harry Rex.«
    »Keine Panik. Du schlägst dich gut. Ich glaube nicht, dass Herschel und Ramona die Geschworenen besonders beeindruckt haben.«
    »Soll ich sie mir vorknöpfen?«
    »Nein. Geh es ruhig an. Wenn du sie festnagelst, fängt sie nur wieder an zu heulen. Die Geschworenen haben sie gründlich satt.«
    Fünf Minuten später trat Jake ans Rednerpult. » So, Mrs. Dafoe, Ihr Vater ist am 2. Oktober letzten Jahres verstorben, ist das richtig?«
    »Ja.«
    »Wann haben Sie ihn vor seinem Tod zuletzt gesehen?«
    »Darüber habe ich nicht Buch geführt, Mr. Brigance. Er war mein Vater.«
    »Ist es nicht richtig, dass Sie ihn zuletzt im Juli gesehen haben, mehr als zwei Monate vor seinem Tod?«
    »Nein, das stimmt überhaupt nicht. Ich habe ihn ständig besucht.«
    »Das letzte Mal, Mrs. Dafoe. Wann war das letzte Mal?«
    »Wie gesagt, ich habe mir die Termine nicht notiert. Wahrscheinlich ein paar Wochen vor seinem Tod.«
    »Sind Sie sicher?«
    »Also, nein, sicher bin ich mir nicht. Schreiben Sie sich immer auf, wenn Sie Ihre Eltern besuchen?«
    »Ich bin kein Zeuge, Mrs. Dafoe. Ich bin der Anwalt, der die Fragen stellt. Sind Sie sicher, dass Sie Ihren Vater wenige Wochen vor seinem Tod gesehen haben?«
    »Also, äh, sicher bin ich mir nicht.«
    »Danke. Jetzt zu den Kindern, Will und Leigh Ann. Wann hat ihr Großvater sie vor seinem Tod zuletzt gesehen?«
    »Ach, du liebe Zeit, Mr. Brigance. Ich habe keine Ahnung.«
    »Aber Sie haben ausgesagt, dass sie ihn ständig besucht hätten, richtig?«
    »Aber natürlich, ja. Sie haben ihren Opa geliebt.«
    »Hat er sie geliebt?«
    »Heiß und innig.«
    Jake lächelte und ging zu dem kleinen Tisch, auf dem die Beweismittel abgelegt wurden. Er griff nach zwei Blättern und sah Ramona an. »Dies ist das Testament, das Ihr Vater am Tag vor seinem Tod verfasst hat. Es wurde als Beweismittel zu den Akten genommen, und die Geschworenen haben es bereits gesehen. In Absatz sechs schreibt Ihr Vater – ich zitiere wörtlich: ›Ich habe zwei Kinder – Herschel Hubbard und Ramona Hubbard Dafoe –, die wiederum Kinder haben. Wie

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