Die Erbin
Vorbereitung hatte Wade Lanier eine fiktive Geschichte zusammengebastelt, auf die jedes Vater-Sohn-Gespann neidisch gewesen wäre.
Jake ging zum Rednerpult. »Mr. Hubbard«, fragte er, »in wel chem Hotel stiegen Sie und Ihr Vater normalerweise ab, wenn Sie sich ein Spiel der Braves ansahen?«
Herschel kniff die Augen zusammen und öffnete den Mund, aber es kam kein Ton heraus. Hotels führen Register, die nachgeprüft werden konnten. Schließlich erholte er sich. »Äh, also, in verschiedenen Hotels.«
»Waren Sie letztes Jahr in Atlanta?«
»Nein, mein Vater war zu krank.«
»Im Jahr davor?«
»Ich glaube schon, ja.«
»Gut, also 1987. Welches Hotel?«
»Das weiß ich nicht mehr.«
»Gut. Gegen wen haben die Braves gespielt?«
Über Spiele und Spielpläne werden Aufzeichnungen geführt, die überprüft werden können. »Ja, also, wissen Sie, da bin ich mir nicht sicher. Vielleicht gegen die Chicago Cubs.«
»Das lässt sich herausfinden. Welcher Tag war das?«
»Äh, mit Daten habe ich es nicht so.«
»Also gut, dann 1986. Waren Sie da in Atlanta und haben sich ein oder zwei Spiele angesehen?«
»Ich glaube schon, ja.«
»Welches Hotel?«
»Vielleicht das Hilton. Bin mir nicht sicher.«
»Gegen wen haben die Braves gespielt?«
»Äh, lassen Sie mich nachdenken. Ich bin mir nicht sicher, aber ich weiß, dass wir in einem Jahr ein Spiel gegen die Philadelphia Phillies gesehen haben.«
»Wer war 1986 dritter Baseman bei den Phillies?«
Herschel schluckte mühsam, und sein Blick war starr wie bei einem Reh im Scheinwerferlicht. Seine Ellbogen zuckten, und er warf den Geschworenen immer wieder Seitenblicke zu. Seine Lügen hatten ihn eingeholt. Laniers fiktives Meisterwerk hatte Löcher.
»Weiß nicht«, sagte er schließlich.
»Sie erinnern sich nicht an Mike Schmidt, den größten dritten Baseman in der Geschichte des Baseballs? Er spielt immer noch da und ist auf dem Weg zur Hall of Fame.«
»Leider nein.«
»Wer war Center Fielder bei den Braves?«
Eine weitere quälende Pause. Es war offensichtlich, dass Herschel keinen blassen Schimmer hatte.
»Haben Sie je von Dale Murphy gehört?«
»Genau, der war’s. Dale Murphy.«
Für den Augenblick deutete alles darauf hin, dass Herschel log oder zumindest kräftig beschönigte. Jake hätte auch den Rest seiner Aussage unter die Lupe nehmen können, aber es gab keine Garantie, dass er wieder einen Treffer landete.
Als Nächste war Ramona an der Reihe. Sie weinte schon kurz nach der Vereidigung. Sie konnte es immer noch nicht fassen, dass ihr geliebter »Daddy« so verwirrt und verzweifelt gewesen sei, dass er sich das Leben genommen habe. Mit der Zeit gelang es Lanier, sie zu beruhigen, und sie arbeiteten sich nach Drehbuch durch ihre Zeugenaussage. Sie war immer Daddys Liebling gewesen und hatte von dem alten Burschen gar nicht genug bekommen können. Er hatte sie und ihre Kinder heiß und innig geliebt und war oft bei ihnen in Jackson zu Besuch gewesen.
Wieder einmal musste Jake Wade Lanier widerwillig bewun dern. Er hatte Ramona für die Protokollierung ihrer Zeugenaussage im Dezember hervorragend vorbereitet und ihr beigebracht, wie sie am besten blockte. Er wusste, dass Jake ihre Aussage in der Verhandlung unmöglich widerlegen konnte, daher hatte er dafür gesorgt, dass sie bei der Protokollierung nur ein paar Brocken hinwarf, gerade so viel, dass die Fragen halbwegs beantwortet waren, um dann vor den Geschworenen ihre Märchengeschichten aufzutischen.
Ihre Aussage war eine dramatische Mischung von Emo tionen, schlechter Schauspielerei, Lügen und Übertreibungen. Jake fing an, den Geschworenen Seitenblicke zuzuwerfen, um zu sehen, ob irgendwer von ihnen Misstrauen schöpfte. Als sie erneut losheulte, begegnete Tracy McMillen, Geschworene Num mer zwei, Jakes Blick und runzelte die Stirn, als könnte sie es nicht fassen.
Zumindest verstand Jake es so. Er mochte sich täuschen. Sein Instinkt hatte ihn getrogen, und sein Vertrauen in seine Intuition war erschüttert. Tracy war seine Lieblingsgeschworene. Seit zwei Tagen begegneten sich ihre Blicke, und der Austausch war schon fast zum Flirt geworden. Es war nicht das erste Mal, dass Jake sein attraktives Äußeres einsetzte, um eine Geschworene für sich zu gewinnen, und es würde auch nicht das letzte Mal sein. Ein weiterer Seitenblick, und er erwischte Frank Doley bei einem dieser Blicke, die »Dich mach ich fertig« zu besagen schienen und auf die er offenbar das Patent hatte.
Wade
Weitere Kostenlose Bücher