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Die Erbin

Die Erbin

Titel: Die Erbin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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schwangere Frau mit vier Kindern sitzen lassen und war auf Nimmerwieder sehen verschwunden. Tagelang hatten Simeon und sein älterer Bruder vor dem Eingang gesessen und mit Tränen in den Augen gewartet. Später hatte er seinen Vater gehasst, und er hasste ihn immer noch, doch jetzt verspürte er selbst den Drang davonzulaufen. Seine Kinder waren schon viel älter als er damals. Sie würden es überleben.
    Wenn er unterwegs war, fragte er sich oft, was ihn immer wieder nach Hause zog. Er fand es unerträglich, in dieser viel zu engen, gemieteten Bude mit seiner Schwiegermutter zusammenzuleben, zwei ungezogenen Enkeln, um die er nicht gebeten hatte, und einer ständig nörgelnden Ehefrau. In den letzten zwanzig Jahren hatte Lettie hundertmal mit Scheidung gedroht. Es grenzte an ein Wunder, dass sie immer noch zusammen waren. Du willst die Trennung? Nur zu, sagte er zu sich und nahm noch einen Schluck. Aber das hatte er auch schon hundertmal gesagt.
    Es war fast dunkel, als sie aus dem Haus auf die hintere Veranda hinaustrat und langsam über den Rasen auf seinen Baum zuging. Er saß in einem der beiden Liegestühle, die nicht zusammenpassten, die Füße auf einem Milchflaschenkorb, neben sich die Kühlbox mit Bier. Er bot ihr den anderen Stuhl an, aber sie blieb stehen.
    »Wie lange wirst du hier sein?«, fragte sie leise, den Blick starr zur Straße gewandt, genau wie er.
    »Ich bin gerade erst gekommen, und du willst, dass ich schon wieder gehe.«
    »So habe ich das doch nicht gemeint, Simeon. Ich will’s einfach nur wissen, das ist alles.«
    Da er nicht vorhatte, die Frage zu beantworten, trank er noch einen Schluck. Sie waren selten allein, und wenn, dann wussten sie nicht, was sie miteinander reden sollten. Ein Auto fuhr langsam vorbei, und sie sahen ihm nach, als wären sie fasziniert davon. Schließlich sagte sie: »Ich werde morgen höchstwahrscheinlich meinen Job verlieren. Ich habe dir doch erzählt, dass Mr. Hubbard sich umgebracht hat. Seine Familie kann mich ab morgen nicht mehr gebrauchen.«
    Simeon war hin- und hergerissen. Einerseits fühlte er sich gut bei dem Gedanken, wieder der Hauptverdiener der Familie zu sein, das Familienoberhaupt. Er hasste es, wenn Lettie sich aufspielte, weil sie mehr verdiente als er. Auch wenn sie nur eine Haushaltshilfe war, bildete sie sich ganz schön was darauf ein, dass ein Weißer ihr vertraute. Andererseits brauchte die Familie das Geld. Wenn ihr Einkommen wegfiel, würde das Probleme geben.
    »Tut mir leid«, brachte er mit Mühe heraus.
    Es entstand eine lange Pause, in der Stimmen und Geräusche aus dem Haus zu hören waren. »Irgendwas Neues von Marvis?«, erkundigte er sich.
    Sie ließ den Kopf sinken. »Nein, es sind jetzt schon zwei Wochen, aber er hat noch nicht geschrieben.«
    »Hast du ihm geschrieben?«
    »Jede Woche, das weißt du doch, Simeon. Wann hast du ihm zuletzt geschrieben?«
    Simeon tobte innerlich, hielt sich aber zurück. Er war stolz, dass er nüchtern nach Hause gekommen war. Das wollte er jetzt nicht ruinieren, indem er einen Streit vom Zaun brach. Marvis Lang, 28, saß wegen Drogenhandels und Angriffs mit einer tödlichen Waffe seit zwei Jahren im Knast und hatte noch mindestens zehn vor sich.
    Ein Wagen näherte sich langsam und bremste weiter ab, als wüsste der Fahrer nicht genau, wie er fahren musste. Das Auto rollte noch ein paar Meter und bog dann in ihre Einfahrt ein. Im verbliebenen Tageslicht war zu erkennen, dass es rot war. Eine seltene ausländische Marke. Der Motor wurde abgestellt, und ein junger Weißer stieg aus, im weißen Hemd, eine gelockerte Krawatte um den Hals. Er machte ein paar Schritte und blieb dann unsicher stehen.
    »Hier«, rief Simeon, und der junge Mann erstarrte, als wäre er zu Tode erschrocken. Offenbar hatte er sie nicht unter dem Baum sitzen sehen. Vorsichtig kam er durch den kleinen Vorgarten auf sie zu. »Ich suche Mrs. Lettie Lang«, sagte er gerade so laut, dass sie es hören konnten.
    »Ich bin hier«, sagte sie, als er in ihr Blickfeld kam.
    Er näherte sich bis auf drei Meter. »Hallo«, sagte er, »mein Name ist Jake Brigance. Ich bin Anwalt in Clanton und muss mit Lettie Lang reden.«
    »Sie waren auf der Beerdigung«, sagte sie.
    »Ja.«
    Widerstrebend rappelte sich Simeon auf, und man schüttelte einander verlegen die Hand. Simeon bot Jake ein Bier an und setzte sich dann wieder. Jake lehnte das Bier ab, obwohl er Lust gehabt hätte, eines zu trinken. Aber schließlich war er geschäftlich

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