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Die Erbin

Die Erbin

Titel: Die Erbin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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schlechter Scherz, oder?«
    Nein, keineswegs. Sie las das Testament erneut, während ihr Mann mit geschlossenen Augen über den Prozess nachdachte. Als sie fertig war, legte sie die zwei Blätter auf den Boden und blickte sich im Raum um. »Nur interessehalber, Schatz, aber wie berechnet sich in so einem Fall dein Honorar? Verzeih die Frage.« Sie schwenkte müde einen Arm über das kleine Zimmer, die Flohmarktmöbel, die billigen Regale mit den überquellen den, durchhängenden Böden, den falschen Perserteppich, die Secondhandvorhänge, die Stapel Zeitungen auf dem Boden – man konnte ahnen, dass diese Mieter zwar Geschmack hatten, aber nicht das nötige Kleingeld, um ihn zu zeigen.
    »Was? Du willst eine hübschere Bude? Eine Doppelhaushälfte vielleicht? Oder einen Luxustrailer?«
    »Mach dich nicht über mich lustig.«
    »Das Honorar könnte beachtlich sein, wobei ich mich damit noch gar nicht befasst habe.«
    »Was heißt beachtlich?«
    »Nun ja, das Honorar berechnet sich nach der tatsächlich geleisteten Arbeitszeit, nach abgerechneten Stunden, was wir sonst eigentlich nicht kennen. Als rechtlicher Vertreter kann man tatsächlich seine Stunden abrechnen, man wird nach Zeit bezahlt. Das gibt es sonst nicht. Alle Honorare müssen vom Richter genehmigt werden, das ist in diesem Fall unser lie ber Freund Reuben Atlee. Da er weiß, dass wir am Hungertuch nagen, wird er sich wahrscheinlich großzügig zeigen. Ein großes Erbe, ein Haufen Geld, ein schwer umstrittenes Testament – damit könnten wir es vielleicht schaffen, den Bankrott zu umgehen.«
    »Ein Haufen Geld?«
    »Ist nur so dahingesagt. Wir sollten uns nicht zu früh freuen.«
    »Tu nicht so gönnerhaft«, sagte sie und sah förmlich die Dollarzeichen in den zwinkernden Augen ihres Mannes.
    »Du hast recht.« Trotzdem packte Carla im Geiste längst Umzugskartons. Den gleichen Fehler hatte sie letztes Jahr gemacht, als Jake Brigance’ Kanzlei den Fall eines jungen Paares übernommen hatte, dessen Neugeborenes in einem Kranken haus in Memphis gestorben war. Der zunächst vielversprechende Fall von ärztlichem Versagen hatte sich unter dem kritischen Blick der Gutachter in Wohlgefallen aufgelöst, und Jake hatte sich mit Schmerzensgeld begnügen müssen.
    »Du hast also Lettie Lang besucht?«, fragte sie.
    »Ja. Sie wohnt außerhalb von Box Hill in einer Gegend, die Little Delta heißt. Da leben nicht viele Weiße. Ihr Mann ist ein Trinker, der nur ab und zu daheim vorbeischaut. Ich war nicht im Haus, aber es machte einen ziemlich überfüllten Eindruck auf mich. Ich habe im Grundstücksregister nachgesehen – sie haben es nur gemietet. Es ist ein billiger, kleiner Bau, ganz ähnlich wie …«
    »Wie diese Bruchbude hier?«
    »Wie unser Haus. Wahrscheinlich gebaut von ein und demselben Baumafioso, der anschließend pleitegegangen ist. Aber immerhin wohnen wir hier nur zu dritt, während ich bei Lettie ein gutes Dutzend Bewohner vermute.«
    »Ist sie nett?«
    »Ja, durchaus. Wir haben uns nur kurz unterhalten. Mein Eindruck ist, dass ihr Leben genauso aussieht wie das der anderen schwarzen Frauen in der Gegend: ein Stall voller Kinder, ein Mann, der nie da ist, ein schlecht bezahlter Job. Kein Zuckerschlecken.«
    »Das klingt ziemlich hart.«
    »Dürfte aber den Nagel auf den Kopf treffen.«
    »Sieht sie gut aus?«
    Jake fing an, unter der Decke ihre rechte Wade zu massieren. Er überlegte einen Augenblick. »Das konnte ich nicht wirklich feststellen. Es wurde recht schnell dunkel. Sie ist Mitte vierzig und sieht halbwegs gut in Schuss aus, nicht unattraktiv. Warum fragst du? Meinst du, Mr. Hubbards Sinneswandel könnte etwas mit Sex zu tun haben?«
    »Sex? Wer denkt denn an Sex?«
    »Na, du. Du fragst dich, ob sie mit ihm geschlafen hat, um an sein Erbe zu kommen.«
    »Also gut, ja, das frage ich mich. Aber spätestens morgen Mittag wird sich die ganze Stadt diese Frage stellen. Das liegt auch nahe. Er war dem Tod geweiht, und sie hat ihn versorgt. Wer weiß, was sie getrieben haben?«
    »Ich liebe deine schmutzige Fantasie.«
    Er ließ seine Hand bis zu ihrem Schenkel hochwandern, doch weiter kam er nicht, denn das Telefon läutete und ließ sie beide zusammenfahren. Jake ging in die Küche, nahm ab und legte wieder auf. »Nesbit ist draußen«, sagte er erklärend. Er griff nach einer Zigarre und einer Packung Streichhölzer und ging vor die Tür. Am Ende der kurzen Auffahrt, neben dem Briefkasten, zündete er sie an und blies eine Rauchwolke in

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