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Die Erbin

Die Erbin

Titel: Die Erbin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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und etwa die Hälfte davon war längst fällig zur Rückzahlung.
    Auch in Herschels Kopf ratterte die Rechenmaschine, und er ertappte sich dabei, wie er leise vor sich hin summte. Sekunden später landete er ebenfalls bei einem Betrag von etwa 5,5 Millionen Dollar. Er war es so leid, bei seiner Mutter zu leben. Und die Studiengebühren für seine Kinder waren jetzt auch kein Thema mehr.
    Ramona warf ihrem Mann ein hämisches Grinsen zu. »Zwan zig Millionen, Ian, nicht schlecht für einen, wie hast du immer gesagt, ›Holzfäller‹.«
    Herschel schloss die Augen und atmete lange aus. Ian sagte: »Ach, komm, Ramona.« Die Anwälte interessierten sich plötzlich brennend für ihre Schuhe.
    »Du wirst bis zum Ende deines Lebens keine zwanzig Millionen machen, Daddy hat es in zehn Jahren geschafft. Und deine Familie hatte auch nie so viel, trotz all der Banken, die ihr mal gehört haben. Findest du das nicht unglaublich, Ian?«
    Ians Unterkiefer sank herab. Er konnte sie nur stumm anstarren. Wären sie allein gewesen, dann wäre er ihr sofort über den Mund gefahren, aber so war er hilflos. Bleib cool, beschwor er sich, doch es kostete ihn alle Mühe, sich zu beherrschen. Bleibt dir gar nichts anderes übrig, als cool zu bleiben, schließ lich wird diese arrogante Kuh da drüben bald mehrere Millionen erben. Das Geld wird zwar höchstwahrscheinlich deine Ehe zerstören, aber da sollte schon etwas für dich abfallen.
    Stillman Rush schloss seine Aktenmappe und stand auf. »Wir müssen los. Wir wollen gleich noch zum Gericht, um die Sache in Gang zu bringen. Wenn es Ihnen recht ist, sollten wir uns in Kürze wieder zusammensetzen.« Er schien es plötzlich eilig zu haben wegzukommen. McGwyre und Larkin schossen ebenso von ihren Stühlen hoch, klappten die Taschen zu und wünschten mit aufgesetztem Lächeln einen schönen Tag. Sie bestanden darauf, allein hinauszufinden, und konnten gar nicht schnell genug um die Hausecke verschwinden.
    Nachdem sie weg waren, lastete Stille über der Terrasse. Man mied Augenkontakt, und keiner wagte es, etwas zu sagen, denn ein falsches Wort konnte den nächsten Streit auslösen.
    Schließlich fragte Ian, dessen Wut am größten war, seine Frau: »Wie kommst du dazu, vor den Anwälten so etwas zu sagen?«
    Herschel stand ihm bei. »Ja, wie kommst du dazu?«
    Ohne ihren Bruder zu beachten, fauchte Ramona ihren Mann an: »Ich wollte das schon lange einmal sagen, Ian. Du hast im mer auf uns herabgeblickt, vor allem auf meinen Vater, und jetzt zählst du sein Geld.«
    »Tun wir das nicht alle?«
    »Herschel, halt den Mund«, schnauzte sie, ohne die Augen von Ian zu nehmen. »Ich werde mich scheiden lassen.«
    »Hat ja nicht lange gedauert.«
    »Nein.«
    »Jetzt beruhigt euch erst einmal«, bat Herschel. Es war nicht die erste Scheidungsdrohung, die er miterlebte. »Lasst uns reingehen, zu Ende packen, und dann nichts wie weg hier.«
    Die Männer standen auf und gingen. Ramona blickte auf den Wald hinter dem Garten, wo sie als Kind gespielt hatte. Seit Jahren hatte sie sich nicht mehr so frei gefühlt.
    Im Laufe des Vormittags traf ein weiterer Kuchen ein, den Lettie vergeblich abzulehnen versuchte. Sie stellte ihn schließlich auf die Küchentheke, wo sie zum letzten Mal Töpfe abtrocknete. Die Dafoes kamen kurz vorbei, um Auf Wiedersehen zu sagen, und Ramona versprach der Form halber, sie werde sich melden. Lettie sah ihnen nach, wie sie wortlos ins Auto stiegen. Die Fahrt nach Jackson würde sich lange hinziehen.
    Pünktlich um zwölf Uhr erschien Calvin. Am Küchentisch übergab Herschel ihm einen Schlüssel für die neuen Schlösser und trug ihm auf, jeden Tag nach dem Haus zu sehen, regelmäßig den Rasen zu mähen, das Laub wegzublasen. Das Übliche eben.
    Als Calvin gegangen war, sagte Herschel: »So, Lettie. Ich glaube, wir schulden Ihnen noch achtzehn Stunden zu fünf Dol lar, ist das richtig?«
    »Wenn Sie das sagen.«
    Er stellte auf der Küchentheke einen Scheck aus. »Neunzig Dollar«, murmelte er mit gerunzelter Stirn. Am liebsten hätte er sich erneut über den unverschämten Lohn ereifert, stattdessen riss er wortlos den Scheck aus dem Heft und reichte ihn ihr. »Bitte schön«, sagte er, als wäre es ein Geschenk.
    »Danke.«
    »Danke Ihnen, Lettie, dass Sie sich um Dad und das Haus und alles gekümmert haben. Ich weiß, es ist jetzt nicht einfach für Sie.«
    »Ich verstehe das«, sagte sie ruhig.
    »So wie die Dinge stehen, werden wir uns sicher nicht wiedersehen. Ich wollte

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