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Die Erbin

Die Erbin

Titel: Die Erbin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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freute sich auf die Begegnung. Er widmete sich wieder der letzten Ausgabe der Ford County Times, die mittwochs herauskam und ihn immer mit den neuesten Lokalnachrichten versorgte. Auf der ersten Seite unten berichtete ein Artikel über den »mutmaßlichen Selbstmord« von Seth Hubbard. Der Reporter hatte ein wenig tiefer gebohrt. Aus nicht näher benannten Quellen sei zu erfahren, dass Mr. Hubbard großen Erfolg im Holzgeschäft gehabt habe und mit einer Holding im Südosten tätig gewesen sei. Vor knapp einem Jahr aber habe er dann die meisten seiner Vermögenswerte veräußert. Seine Familie habe auf Anfragen nicht reagiert. Ein Porträtfoto zeigte Seth als jungen Mann, der der bemitleidenswerten Kreatur auf Ozzies schauerlichen Tatortfotos überhaupt nicht ähnlich sah. Aber wie auch?
    Zwanzig Minuten später waren die Anwälte wieder da. Roxy ließ sie im Konferenzraum im Erdgeschoss warten. Sie standen am Fenster und sahen dem trägen Vormittagsverkehr um den Clanton Square herum zu. Hin und wieder verständigten sie sich im Flüsterton, als wäre der Raum verwanzt. Schließlich kam Mr. Brigance herein und begrüßte sie. Man lächelte gezwungen und gab sich steif die Hand. Als alle Platz genommen hatten, kam Roxy und bot Kaffee und Wasser an. Alle lehnten ab, und so ging sie wieder und schloss die Tür hinter sich.
    Jake und Stillman hatten zehn Jahre zuvor an der Ole Miss ihr Jurastudium abgeschlossen. Auch wenn sie die Tortur zusammen durchgestanden hatten und sich in mehreren Kursen begegnet waren, hatten sie sich immer in verschiedenen Kreisen bewegt. Als privilegierter Sohn einer Familie, die eine angeblich hundert Jahre alte Großkanzlei führte, war Stillmans Zukunft schon ge sichert, bevor er auch nur seinen ersten Probefall an der Uni durchexerzierte. Jake und praktisch alle anderen Studienkollegen hatten um ihren Arbeitsplatz kämpfen müssen. Immerhin hatte sich Stillman Mühe gegeben, sich zu beweisen, und unter den besten zehn Prozent des Jahrgangs abgeschlossen. Jake hatte nicht weit hinter ihm gelegen. Während ihrer Anwaltslaufbahn waren sie nur einmal aufeinandergetroffen; Lucien hatte Jake einen aus sichtslosen Fall von sexueller Diskriminierung übergeben, und der Arbeitgeber der Klägerin war von der Kanzlei Rush vertreten worden. Die Sache endete mit einem Vergleich, doch im Verlauf des Verfahrens hatte Jake gelernt, Stillman zu hassen. An der Uni war er noch erträglich gewesen, aber nach ein paar Jahren an vorderster Front war er einfach nur noch ein Bonze aus einer Großkanzlei mit dem entsprechenden Ego. Er trug sein blondes Haar jetzt etwas länger, sodass es sich um seine Ohren herum lockte. Es passte bestens zu seinem edlen schwarzen Anzug.
    Mr. McGwyre und Mr. Larkin war Jake noch nie begegnet, aber er kannte sie vom Hörensagen. Mississippi ist ein kleiner Staat.
    »Wie komme ich zu der Ehre, meine Herren?«
    »Oh, ich denke, das haben Sie inzwischen herausgefunden, Jake«, erwiderte Stillman hochnäsig. »Ich habe Sie gestern auf Mr. Hubbards Beerdigung gesehen. Wir haben sein handschriftliches Testament gelesen. Es erklärt sich von selbst.«
    »Es ist in vielerlei Hinsicht unzureichend«, warf Lewis McGwyre ernst ein.
    »Ich habe es nicht aufgesetzt«, gab Jake zurück.
    »Aber Sie wollen es eröffnen«, sagte Stillman. »Das lässt den Schluss zu, dass Sie es für gültig halten.«
    »Ich habe keinen Grund, etwas anderes zu glauben. Das Testament wurde mir per Post zugesandt, und ich werde darin beauftragt, es zu eröffnen.«
    »Aber wie können Sie sich für so eine fadenscheinige Sache einsetzen?«, fragte Sam Larkin und hob seine Kopie des Testaments leicht an. Jake legte alle Verachtung in seinen Blick, die er aufbringen konnte. Typisch Großkanzlei. Meint, er wäre was Besseres, weil er seine Arbeitszeit stundenweise abrechnen kann. Seiner wohlfundierten Ansicht nach war dieses Testament »fadenscheinig« und folglich ungültig. Wie konnte sich jemand erdreisten, anders darüber zu denken?
    Doch er beherrschte sich. »Hier zu sitzen und über Mr. Hubbards handschriftliches Testament zu debattieren ist reine Zeitverschwendung«, sagte er. »Das können wir auch noch vor Gericht tun.« Damit hatte Jake seine erste Breitseite abgefeuert. Er war schließlich derjenige, der sich als Prozessanwalt einen Ruf gemacht hatte. Mr. McGwyre setzte Testamente auf, und Mr. Larkin entwarf Verträge. Soweit Jake wusste, war Stillmans Fachgebiet Brandstiftung, allerdings hielt er sich

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