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Die Erbin

Die Erbin

Titel: Die Erbin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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wartet«, gurrte sie und drückte auf ihrer Gegensprechanlage einen Durchwahlknopf.
    »Mein Beileid wegen Ihrem Chef«, sagte Jake. Er erinnerte sich nicht, sie bei der Beerdigung gesehen zu haben. Ihr Gesicht und ihre Figur wären ihm sicher aufgefallen.
    »Es ist wirklich traurig.«
    »Wie lange arbeiten Sie schon hier?«
    »Zwei Jahre. Seth war ein netter Mann und ein guter Chef.«
    »Ich hatte nie das Vergnügen, ihn kennenzulernen.«
    Arlene Trotter trat von einem der Flure herein und hielt ihm die Hand entgegen. Sie war um die fünfzig, aber vollständig ergraut und kämpfte gegen ein paar überschüssige Pfunde an. Ihr Hosenanzug war seit zehn Jahren aus der Mode. Sie unterhielten sich auf dem Weg durch das Labyrinth von Büros. »Das war seines«, sagte sie und deutete auf eine geschlossene Tür. Ihr Schreibtisch stand daneben, wie ein Wachposten. »Seine Ablage ist dort drüben«, fügte sie hinzu und zeigte auf eine andere Tür. »Es ist nichts angefasst worden. Russell Amburgh hat am Tag von Seths Tod angerufen und uns angewiesen, alles zu sichern. Am Tag darauf kam der Sheriff vorbei und sagte das Gleiche. Es ist hier sehr still gewesen.« Ihre Stimme zitterte kurz.
    »Das tut mir leid.«
    »Seine Bücher sind höchstwahrscheinlich sehr ordentlich. Seth hat alles gut dokumentiert. Als er krank wurde, hat er noch mehr Zeit damit verbracht, alles zu sortieren.«
    »Wann haben Sie ihn zuletzt gesehen?«
    »Am Freitag vor seinem Tod. Es ging ihm nicht gut, er ist gegen drei Uhr nach Hause gefahren, um sich hinzulegen. Ich habe gehört, er hat seinen Letzten Willen hier geschrieben? Stimmt das?«
    »Das scheint korrekt zu sein. Wussten Sie irgendetwas darüber?«
    Sie zögerte einen Moment, als könnte oder wollte sie nicht antworten. »Darf ich Sie etwas fragen, Mr. Brigance?«
    »Sicher.«
    »Auf welcher Seite stehen Sie? Dürfen wir Ihnen vertrauen, oder brauchen wir eigene Anwälte?«
    »Na ja, ich glaube, noch mehr Anwälte einzuschalten wäre keine gute Idee. Ich vertrete auf Wunsch von Mr. Hubbard seinen Nachlass. Er hat mich angewiesen, dafür zu sorgen, dass sein Letzter Wille, sein handschriftliches Testament, respektiert und umgesetzt wird.«
    »Das ist das Testament, in dem das Hausmädchen alles bekommt?«
    »Kann man so sagen, ja.«
    »Okay. Welche Rolle spielen wir dabei?«
    »Sie haben mit der Abwicklung des Nachlasses nichts zu tun. Aber es könnte sein, dass Sie als Zeugen geladen werden, wenn das Testament von Mr. Hubbards Familie angefochten wird.«
    »Vor Gericht?« Mit erschrockener Miene wich sie einen Schritt zurück.
    »Kann sein, aber im Moment ist es noch zu früh, sich darüber Gedanken zu machen. Wie viele Menschen haben hier für Seth gearbeitet?«
    Arlene rang die Hände und versuchte, ihre Gedanken zu ordnen. »Ich, Kamila und Dewayne.« Sie setzte sich auf die Kante ihres Schreibtischs. »Das war’s. Auf der anderen Seite sind auch noch ein paar Büros, aber die Leute dort haben Seth kaum zu Gesicht bekommen. Um ehrlich zu sein, haben wir auch nicht viel von ihm gesehen, jedenfalls nicht, bis er letztes Jahr krank wurde. Seth war gern unterwegs, um nach seinen Firmen und seinem Holz zu sehen, neue Abschlüsse zu machen oder eine neue Möbelfabrik in Mexiko zu eröffnen. Er war nicht gern zu Hause.«
    »Wer hat ihn auf dem Laufenden gehalten?«
    »Das war meine Aufgabe. Wir haben jeden Tag telefoniert. Ich habe manchmal seine Reisen organisiert, aber meist wollte er das selbst machen. Er hat nicht gern delegiert. Seine privaten Rechnungen hat er grundsätzlich selbst bezahlt, alle Schecks selbst ausgestellt, die Konten überwacht. Er wusste über jeden Cent Bescheid. Sein Wirtschaftsprüfer ist ein Typ in Tupelo …«
    »Ich habe mit ihm gesprochen.«
    »Er hat kistenweise Unterlagen.«
    »Ich würde gern nachher mit Ihnen, Kamila und Dewayne sprechen, wenn das geht.«
    »Sicher. Wir stehen zu Ihrer Verfügung.«
    Der Raum war fensterlos und schlecht beleuchtet. Ein alter Schreibtisch mit Stuhl deutete darauf hin, dass er früher einmal als Büro gedient hatte. Alles war mit einer dicken Staubschicht bedeckt. Eine Wand war von hohen schwarzen Metallakten schränken verdeckt, an einer anderen hing an einem Nagel ein Lkw-Kalender von Kenworth Trucks aus dem Jahr 1987. Auf dem Schreibtisch stapelten sich vier voluminöse Kartons. Hier würde Jake beginnen. Darauf bedacht, nichts durcheinanderzubringen, blätterte er die Akten des ersten Kartons durch. Zunächst interessierte ihn

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