Die Erbin
AUS MEMPHIS IN MISSISSIPPI INS GEFÄNGNIS GEWORFEN. Außer Dumas’ erstaunlich kor rek tem Bericht gab es einen zweiten, kürzeren Artikel über den Antrag auf gerichtliche Anordnung eines Haftprüfungstermins, den die Kanzlei Sistrunk & Bost am Bundesgericht in Oxford gestellt hatte. Für dreizehn Uhr war dort eine Anhörung ange setzt.
Jake saß auf dem Balkon seines Büros, der auf den Clanton Square hinausging, trank mit Lucien zusammen Kaffee und wartete darauf, dass die Streifenwagen kamen. Ozzie hatte versprochen anzurufen, wenn sie sich auf den Weg machten.
Lucien, der den frühen Morgen hasste, und das aus gutem Grund, sah erstaunlich frisch und wach aus. Er behauptete, weniger zu trinken und mehr Sport zu treiben, und arbeitete immer öfter. Für Jake wurde es zunehmend schwieriger, ihm in seiner (ihrer) Kanzlei aus dem Weg zu gehen.
»Ich hätte nie gedacht, dass ich den Tag erleben würde, an dem Rufus Buckley in Handschellen abgeführt wird«, sagte Lucien.
»Es war großartig, einfach großartig, und ich kann es immer noch nicht glauben«, meinte Jake. »Ich werde Dumas anrufen und ihn fragen, ob ich das Foto, auf dem Buckley ins Gefängnis gebracht wird, kaufen kann.«
»Tun Sie das. Und machen Sie mir bitte einen Abzug da von.«
»Achtzehn auf vierundzwanzig, gerahmt. Vermutlich könnte ich eine ganze Menge davon verkaufen.«
Roxy musste die Treppe hochsteigen, durch Jakes Büro gehen und auf den Balkon hinaustreten, um ihren Chef zu informieren. »Sheriff Walls hat gerade angerufen. Sie sind auf dem Weg.«
»Danke.«
Während Jake und Lucien über die Straße liefen, war nicht zu übersehen, dass sich auch die anderen Kanzleien leerten. Offenbar hatten die rund um den Clanton Square ansässigen Anwälte alle einen wichtigen Termin im Gericht. Der arme Buckley hatte sich viele Feinde gemacht. Der Gerichtssaal war alles andere als voll, aber ziemlich viele von diesen Feinden waren anwesend. Es war völlig klar, dass sie nur aus einem einzigen Grund gekommen waren. Ein Gerichtsdiener rief alle zur Ordnung, und Richter Atlee rauschte herein.
»Bringen Sie ihn her«, sagte er mit einem Kopfnicken in Richtung eines Deputy. Eine Seitentür wurde geöffnet, dann kam Buckley herein, ohne Hand- und Fußfesseln. Bis auf die Bartstoppeln und eine ausgesprochen schlecht sitzende Frisur sah er noch genauso aus wie tags zuvor. Richter Atlee hatte sich seiner erbarmt und gestattet, dass er die Kleidung wechselte. Es wäre etwas zu viel der Peinlichkeit gewesen, wenn der Anwalt in einem Gefängnisoverall vorgeführt worden wäre. Angesichts der ausführlichen Berichterstattung in den Morgenzeitungen konnte der Richter nicht zulassen, dass ein Vertreter des Rechts in einem solchen Aufzug gesehen wurde.
Von Sistrunk war nichts zu sehen. Als die Tür ins Schloss fiel, war klar, dass er nicht an der Anhörung teilnehmen würde. »Zu mir, Mr. Buckley«, sagte Richter Atlee, während er auf eine Stelle direkt vor der Richterbank deutete. Buckley gehorchte und stand ziemlich hilflos und sehr allein da, gedemütigt und geschlagen. Er schluckte schwer und sah den Richter an.
Richter Atlee schob sein Mikrofon zur Seite und sagte leise: »Ich hoffe, Sie haben die Nacht in unserem schönen Gefängnis überlebt.«
»Das habe ich.«
»Sheriff Walls hat Sie gut behandelt?«
»Ja, das hat er.«
»Haben Sie und Mr. Sistrunk eine geruhsame Nacht zusammen verbracht?«
»Ich würde nicht unbedingt von einer geruhsamen Nacht sprechen, Euer Ehren, aber wir haben sie überstanden.«
»Mir fällt auf, dass Sie allein hier sind. Lässt Mr. Sistrunk etwas ausrichten?«
»Oh, er hat eine Menge zu sagen, Euer Ehren, aber ich bin nicht berechtigt, etwas davon zu wiederholen. Ich glaube nicht, dass es seiner Sache dienlich wäre.«
»Davon bin ich überzeugt. Ich mag es nicht besonders, wenn man mich beschimpft, Mr. Buckley, und vor allem mag ich es nicht, wenn man mich Rassist nennt. Das scheint eines von Mr. Sistrunks Lieblingswörtern zu sein. Ich ermächtige Sie als seinen Kollegen dazu, ihm das zu erklären und ihm ferner zu versichern, dass er und Sie keinen Fuß mehr in meinen Ge richtssaal setzen werden, wenn er mich noch einmal so nennt.«
Buckley nickte. »Das gebe ich gern weiter.«
Jake und Lucien saßen in der vierten Reihe von hinten, auf einer langen Bank aus Mahagoniholz, die seit Jahrzehnten nicht bewegt worden war. Ganz am Ende der Bank tauchte eine junge Schwarze auf und nahm Platz. Sie war Mitte zwanzig,
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