Die Erbin der Nacht: Roman (German Edition)
könnte jemanden beleidigen und als Bettler auf den Wall hinausgejagt werden. «
Malian schaute ihn an. » Ich glaube « , sagte sie vorsichtig, » du versuchst, mich aufzuheitern, Haimyr. «
» Ich glaube « , sagte er mit ungeheurem Ernst, » da hast du recht. «
» Nun, ich fühle mich schon fröhlicher « , gab Malian zu. »Doch ich denke, das liegt daran, dass du hier bist. und nicht an dem Unsinn, den du redest. «
Eine schlanke Hand streichelte ihr Haar, viel sanfter als sein spöttisches Gesicht oder sein ironischer Blick. Malian seufzte tief und entspannte sich zum ersten Mal, seit sie neben Yorindesarinens Feuer gesessen hatte. » Du weißt « , sagte sie leichthin, » dass mein Vater mich fortschicken wird. «
» Ich fürchte, ja « , antwortete er. Haimyr verschwendete nie seinen Atem, um etwas Offensichtliches zu leugnen.
» Es ist der Schwur « , fuhr Malian traurig fort. » Er beherrscht uns alle und kann nicht verleugnet werden. Aber ich will nicht fortgeschickt werden in eine Burg, die nicht die meine ist, und in einem Tempel für den Rest meines Lebens eingesperrt sein. «
Haimyr legte warnend einen Finger an seine Lippen. Dann stand er auf und nahm eine Laute, die auf einer Truhe an der Wand lag. Er drehte sie in eine Richtung, dann in eine andere und lächelte über die roten und weißen Schleifen, die an ihrem Hals hingen. » Ein hübsches Spielzeug « , murmelte er. » Aber es wird reichen. « Der Barde schüttelte seinen Kopf in Malians Richtung, begann zu reden und das Instrument zu stimmen. All seine Aufmerksamkeit galt den Saiten und Wirbeln unter seinen Fingern. Schließlich nickte er und fing an zu spielen.
Es war eine seltsame Melodie, beinahe misstönend. Sie stoppte und begann erneut. Dann folgte plötzlich eine schnelle Abfolge von Noten, die brummten und summten, bevor sie sich schnell in die Höhe schraubten. Schließlich verfielen sie wieder in einen lebhaften, murmelnden Rhythmus. Malian fand, dass es seltsamerweise fast so klang wie das Summen des schwarzen Speers, nur fehlte seine Wildheit. Sie schüttelte den Kopf, um sich von dem summenden Geräusch zu befreien, und starrte den Barden verwirrt an. Seine Augen lächelten ein langes, träges Lächeln, das einen guten Anteil Spott in sich trug. Eine Geste seines Kopfes lud sie ein, näher heranzutreten. Doch seine Hände hörten nicht auf zu spielen. Das seltsame Lied umkreiste sie beide.
» Was ist das, Haimyr? « , flüsterte Malian. » Ist das eine Zauberei, die die Herolde dir beigebracht haben? «
Seine Augen glänzten. » Nicht die Herolde, meine Malian. Wir haben unsere eigenen Zauber in Ij. Tricks für die, denen wir in Räumen nicht trauen, oder um lauschende Ohren an Türen zu behindern. «
Malian dachte an die Geheimgänge und Lauschposten, die die Neue Burg durchzogen, und nickte. Doch die Augen des Barden hielten die ihren suchend und konzentriert fest.
» Du hast mir gesagt, was du nicht willst « , sagte er. »Doch welches Schicksal, Malian der Nacht, würdest du stattdessen wählen? « Er hielt einen Zeigefinger warnend in die Höhe, damit sie nicht zu schnell antwortete. » Nicht als eine Derai oder als eine vom Blut dieses Hauses, nicht als Tochter deines Vaters oder in Erfüllung irgendeiner anderen Verpflichtung, die man dir in deinem kurzen Leben eingetrichtert hat. Was willst du für dich selbst? «
Malian starrte ihn wie gelähmt an. Plötzlich packte sie ein unbändiges Verlangen, einfach wegzulaufen, den Wall und alles, wofür er stand, zu verlassen und Abschied von dem Schwarm und dem bitteren Vermächtnis des Großen Verrats zu nehmen. Am meisten sehnte sie sich danach, frei von dem zu sein, was Yorindesarinen für sie in dem Feuer gesehen hatte. Es war zu düster und zu schwer für ihre schmalen Schultern.
Doch noch während sie sich so fühlte, schlich sich ein anderer Gedanke ein: Was würde geschehen, wenn sogar die Derai den Wall für ein einfacher und angenehmer scheinendes Leben verließen? Was wäre geschehen, wenn Yorindesarinen nicht ihre Pflicht geschultert und sich dem Chaoswurm entgegengestellt hätte? Und wenn sie, Malian der Nacht, wirklich die prophezeite Eine war, das Haus der Nacht aber aufgab und den Wall der Derai verließ, damit er mit oder ohne sie fiel, dann wäre es egal, wo auf Haarth sie lebte. Die Nacht würde überall fallen.
Malian schloss ihre Augen und blendete den Barden aus. » Es hilft nichts « , sagte sie. » Ich glaube, das ist die Lehre meines Vaters:
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