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Die Erbin der Nacht: Roman (German Edition)

Die Erbin der Nacht: Roman (German Edition)

Titel: Die Erbin der Nacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen Lowe
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Burg hatte sich schnell genug verbreitet.
    Zu dem Zeitpunkt war sie immer noch grau vor Erschöpfung und nicht in der Lage, auf die Ablehnung der Ratsmitglieder zu reagieren. Die ganze Abschiedszeremonie schien mehr als nur ein bisschen unwirklich. Der Abschied der Herolde von ihr war ein Abbild der Worte ihres Vaters: förmlich, würdevoll und bedeutungslos. Sie hatte in ihre teilnahmslosen Gesichter gestarrt und sich gefragt, ob Tarathan von Ar wirklich durch Yorindesarinens Feuer gegangen war, um sie zu finden, oder ob sie das alles nur geträumt hatte.
    In den ersten Tagen nach ihrer Rückkehr aus der Alten Burg hatte sie vor Erschöpfung traumlos geschlafen. Sie war hin und wieder von dem heulenden Kreischen eines Wallsturms und von der Ablösung der Wachen an ihrem Feuer wach geworden. Man hatte versucht, die Abschlachtung ihres Gefolges vor ihr zu verbergen. Doch sie war beunruhigt und hatte sich jedes Mal, wenn sie erwachte, herumgewälzt und mehrfach nach Doria gerufen. Schließlich hatte Haimyr ihr von den Toten erzählt und sie in den Armen gehalten, als sie weinte. Anschließend hatte er ihr beruhigende Schlaflieder seines eigenen Landes vorgespielt, bis sie wieder in einen tiefen Schlaf sank. Seitdem hatte sie ihn nicht mehr gesehen. Selbst Nhairin machte nur flüchtige Besuche.
    » Vielleicht « , dachte Malian jetzt, » sind die Geschichten, die über mich erzählt werden, so wild, dass sogar meine Freunde Angst davor haben, ich könnte mich vor ihren Augen in eine Ausgeburt der Finsternis verwandeln. « » Oder vielleicht « , fügte sie laut hinzu, » ist die simple Wahrheit genug, um alle von mir fernzuhalten. « Sie starrte die rotweiße Tür der Suite an. » Oder die Wachen meines Vaters schicken sie fort. «
    Da sie auf sich allein gestellt war, hatte sie wenig zu tun, außer über ihre Situation nachzudenken. Sogar ihr Vater war nur zwei Mal bei ihr gewesen. Er war immer streng und abwesend, doch auch er schien ihr nur widerstrebend in die Augen zu schauen. Malian vermutete, dass sie im Moment weniger seine Tochter, als ein unangenehmes Problem war, für das der Graf der Nacht eine Lösung brauchte.
    Erneut seufzte sie und wandte sich vom Tisch ab. Sie lief in dem luxuriösen Zimmer auf und ab und wusste, dass er sie schließlich fortschicken würde. Seit dem Verrat durfte nur jeweils ein Angehöriger des Blutes in dem Tempelviertel einer Burg wohnen. Der Schwur verlangte das nicht, aber der Brauch hatte sich im Laufe der nachfolgenden Generationen entwickelt, als die Derai-Grafen über den Rechten und Kräften brüteten, die sie den Priestern des Blutes weiterhin zugestehen würden. Durch das Brüten hatten sie Angst davor entwickelt, zu viele vom Blut in ihren heimischen Tempeln zu haben. Der Brauch des Exils war zum ungeschriebenen Gesetz geworden.
    Malian wusste, dass er stattdessen Schwester Korriya fortschicken konnte, doch sie glaubte nicht, dass er das tun würde. Es würde ihm in der jetzigen Zeit gegen den Strich gehen, eine alteingesessene Priesterin zu verbannen. Sie vermutete, dass er noch mehr Probleme damit haben würde, wenn die frühere Erbin im heimischen Tempel wohnte. Die alten Kräfte hatten sich in der direkten Linie des Grafen seit den Zeiten Aikanors nicht mehr gezeigt. Aber Malian wusste, dass ihr Vater jetzt über das Vermächtnis Aikanors nachdachte. Seine Überlegungen würden ihn unweigerlich zu der Erkenntnis bringen, dass sie diejenige war, die ins Exil geschickt werden musste. Ihre Kraft war schließlich der von Schwester Korriya bei weitem überlegen und stellte eine größere Bedrohung für die bewährte Ordnung dar.
    Der zweite Gedanke war nicht mehr als eine Bewegung an der Oberfläche ihres Geistes. Doch nachdem sie ihn einmal wahrgenommen hatte, konnte er nicht mehr von der Hand gewiesen werden. Aber konnte man sie wirklich mit dem verfluchten Aikanor vergleichen? Erneut rief sich Malian die Abwesenheit derer, die sie für ihre Freunde hielt, ins Gedächtnis. Sogar Asantir gehörte dazu. Dann mäßigte sie ihre Gedanken und ihre Schritte, als sie an die Alte Burg dachte. Nein, sie konnte nicht glauben, dass Asantir sich vor ihr fürchtete. Sie wollte es nicht glauben.
    Malian ging weiter und blieb dann wieder stehen. Sie schaute den rotweißen Wandteppich an, der eine Wand des Zimmers bedeckte. Ein weißes Reh floh über ein rotes Feld, verfolgt von einem Rudel milchweißer Hunde und einer Gruppe von Jägern. Der Ausdruck in den Augen des Rehs war gehetzt,

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