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Die Erbin der Nacht: Roman (German Edition)

Die Erbin der Nacht: Roman (German Edition)

Titel: Die Erbin der Nacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen Lowe
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murmelte sie leise, sodass kein versteckter Lauscher es hören konnte. Aber auch ein halb durchdachter Fluchtplan war ein Anfang.

18 Teile der Wahrheit
    Der Tag zog sich genauso lang und langsam dahin wie die drei vorhergehenden. Allerdings hielt die unheimliche Stille im Auge des Sturms immer noch an. Malian hatte sich oft – besonders als sie klein war – gefragt, ob ein Sturm für immer dauern konnte, besonders, wenn die Heimtücke des Finsteren Schwarms dahintersteckte. Die schlimmsten Ängste der Derai-Wache waren schon immer: ein Sturm, der nie verging, und ein Morgengrauen, das nie kam.
    Doch auch dieser Sturm wird vorübergehen, sagte Malian sich. Es wurde dunkel, und Nhairins Hofmeister traten leise ein, um die Lampen hochzudrehen und das Feuer anzuzünden, damit beides Licht und Wärme verbreitete. Das vertrieb die Schwermut. Die Hofmeister schauten ihr nicht in die Augen und sprachen auch nicht. Sie erfüllten einfach ihre Aufgaben und gingen so leise, wie sie gekommen waren. Auch sie schienen ihre Befehle zu haben. Oder sie hatten Angst, mit der Erbin zu sprechen, falls die alten Kräfte ansteckend waren. Auch die Lampen und das Licht des Feuers konnten diese trüben Gedanken nicht verscheuchen. Malian rollte sich wieder in dem Armsessel zusammen und grübelte. Dann traf ihr Vater ein.
    Er kam alleine. Sie hörte das dumpfe Aufstampfen der Speere ihrer Wachen, als diese Haltung annahmen. Auch das leise Knarren der Tür, die geöffnet wurde, nahm sie wahr. Dennoch sah sie sich nicht um oder stand auf, als er zum Feuer ging. Das war ein Verstoß gegen die Etikette zwischen Erbe und Graf, aber sie waren alleine, und auch er schien abgelenkt und starrte in die glühenden Kohlen. Er trug eine lange blauschwarze Tunika, und das geflügelte Pferd der Nacht glitzerte auf seiner Brust. Der Feuerschein spielte auf dem Griff seines Schwerts und dem Dolch, den er am Gürtel trug. Sein Ausdruck war finster, sein Gesicht eine Maske aus Hohlräumen und Winkeln, trotz des sanften Lichts.
    » Du schickst mich fort, nicht wahr? « , fragte Malian, bevor er sprechen konnte. Sie war zufrieden, wie gleichmäßig ihre Stimme klang, obwohl ihre Kehle schmerzte.
    Der Graf seufzte. Seine strengen Augen sahen direkt in ihre. » Ja « , antwortete er, » das tue ich. «
    Er fuhr fort, all die Gründe für seine Entscheidung auszuführen. Sie hatte gewusst, dass das kommen würde. Malian hatte sie sich selbst so oft überlegt, dass sie ihm kaum zuhören musste. Also richtete sie den Blick auf den rotweißen Wandbehang hinter seinem Kopf und ließ die Worte über sich ergehen. Als er fertig war, protestierte sie nicht und achtete sorgsam darauf, ihren Gesichtsausdruck neutral zu halten. » Also, wo soll ich hingehen? « , fragte sie. » Und wann? «
    » Ich schicke dich zur Burg der See « , antwortete der Graf, » denn die Angehörigen deiner Mutter sind das Blut dieses Hauses, und sie sind unsere Verbündeten. Sie werden dich dort herzlich empfangen. Was das Wann angeht … so bald wie möglich, denn du hast dich jetzt von deinen Erlebnissen in der Alten Burg erholt. Deine Abreise zu verzögern wird die Situation nur für uns beide unnötig schwermachen. « Er zögerte und musterte sie. So unwahrscheinlich es auch schien, sie hatte das Gefühl, ihm war unwohl. » Gibt es nichts, das du sagen möchtest? «
    Malian gestattete sich, eine Schulter leicht hochzuziehen. » Was gibt es noch zu sagen? Ich habe das seit meiner Rückkehr aus der Alten Burg erwartet. « Sie vergrub ihre Hände in den Falten ihres Rocks, um sie still zu halten und ruhig zu bleiben. » Doch es gibt eine Gunst, die ich von dir als meinem Vater und Graf erbitte. Alle Mitglieder meines Haushalts wurden bei dem Angriff getötet. Doch ich gehöre immer noch dem Blut der Nacht an. Ich sollte jemanden als Begleitung für diese Reise und in mein … «, sie zögerte bei dem Wort Exil und sagte stattdessen, » … neues Leben mitnehmen dürfen. Der Novize Kalan hat in der Alten Burg mein Leben gerettet. Angesichts des Angriffs und allem anderen, was geschehen ist, würde ich mich sicherer fühlen, wenn er mit mir zum Tempel der Burg der See käme. «
    Der Graf runzelte die Stirn und dachte offensichtlich über die Angelegenheit nach. Malian versuchte, gleichgültig auszusehen. Sie betrachtete den rotweißen Wandbehang hinter ihm, dachte an Ornorith, die Erfinderin der Mittel und Wege, und fragte sich, welches Gesicht der Göttin sich in ihre Richtung drehte.
    »

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