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Die Erbin der Nacht: Roman (German Edition)

Die Erbin der Nacht: Roman (German Edition)

Titel: Die Erbin der Nacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen Lowe
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ihm die Stirn bieten müssen « , sagte Malian mit allem Nachdruck. » Er hätte den Starrsinn meines Großvaters bekämpfen müssen. «
    Nhairin zog eine Schulter hoch. » Der Graf ist immer der Graf « , sagte sie, » und dein Vater war gerade erst zum Erben geworden. Urteile nicht zu hart über ihn, Malian, denn auch wenn er Nerion nicht beschützen konnte, so hat er dich wenigstens gerettet. « Sie sah den Ausdruck auf Malians Gesicht. » Ah, hat er dir das nicht erzählt? Nun, das hätte mich auch gewundert. Eigentlich wollte der Alte Graf dich töten lassen, um die Bedrohung für die Linie zu beseitigen. Das hat dein Vater nicht zugelassen. «
    Malian schwieg und verdaute das. » Warum hat mir nie zuvor jemand etwas davon erzählt? « , fragte sie schließlich.
    » Hätte es etwas geändert? « , fragte Nhairin. » Oder hätte es dir geholfen zu wissen, dass das Schicksal deiner Mutter wie ein Schwert über deinem Kopf hängt? «
    Malian schaute an die Decke und runzelte die Stirn. Sie wusste, was Nhairin meinte, doch sie war die Erbin und die Person, die unmittelbar von dieser Geschichte betroffen war. Das Wissen war wie ein Überfall aus dem Hinterhalt über sie gekommen … Malian biss sich auf die Lippe und war unsicher, was sie nun sagen konnte oder sollte. Das machte es ihr schwer zu antworten. Schließlich schien es einfacher, überhaupt nichts zu sagen. Nhairin schien ihr Schweigen als Antwort zu deuten, denn auch sie sagte nichts mehr.
    Das Feuer knisterte in der Feuerstelle, und der Wandvorhang bewegte sich. Die Stimme des Windes draußen erhob sich und wurde scharf: Das Auge war vorübergezogen, und jetzt würde der Sturm wieder um die Burg toben. Die Gestalten auf dem Wandbehang kräuselten und bewegten sich, als ob sie auf den zunehmenden Wind reagierten. Doch Malian schlief bereits, und Nhairin zeigte keine Anzeichen, dass sie es bemerkte.
    Ein finsterer Fleck, dunkler als die Schatten, die das Feuer warf, ringelte sich aus den Tiefen des Wandbehangs. Ein flacher, schmaler Kopf schwang sich nach vorne, ein geschmeidiger Körper folgte und löste sich aus dem Stoff. Der Kopf pendelte langsam hin und her, beobachtete den Raum und ließ sich dann lautlos zu Boden gleiten. Nhairin bewegte sich immer noch nicht oder drehte auch nur den Kopf. Das rote Glühen des Feuers sank in sich zusammen auf sein Kohlenbett. Die Kreatur wartete noch einen Moment, beobachtete die Hofmarschallin und wandte sich dann dem Bett zu, wo das Mädchen schlief.

19 Der Jagdmeister
    Der Sturm griff die Burg der Winde mit wiedererstarkter Heftigkeit an, rüttelte an den Wachtürmen und kreischte entlang der Befestigungsmauern aus speerdickem Stein. Sogar in der innersten Festung des Tempelviertels ertönte seine Stimme als besorgniserregendes Hintergrundgeräusch in Kalans finsteren Träumen. Seit der Rückkehr in die Neue Burg hatte er jede Nacht von einem Gewirr aus Gesichtern, Stimmen und Szenen geträumt, die so zufällig und unzusammenhängend schienen wie die Trümmer, die im Wirbel des Sturms gefangen waren.
    In der ersten Nacht hatte er das kalte, verschlossene Gesicht seines Vaters an dem Tag gesehen, als er Kalan verleugnet und hinausgeworfen hatte. Obwohl es sich nicht um ein formelles Ritual der Abkehr und der Vertreibung gehandelt hatte, waren die Worte seines Vaters scharf und kalt wie Stein. » Was bist du, Junge? Wer? Du musst ein Gestaltwandler sein, ein böser Dämon, denn niemand in unserer Familie hat jemals diese Kräfte besessen! « Im Traum hatte Kalan seine Hände ausgestreckt und versucht zu protestieren. Doch sein Vater hatte sich abgewendet. Nur seine Stimme drang noch an sein Ohr: » Nein, rufe nicht nach mir, denn ich habe diesen Ritus vor langer Zeit ausgeführt. Du bist nicht mehr mein Sohn! «
    Du bist nicht mehr mein Sohn. Kalan wachte in Panik auf und sah nur die erdrückende Dunkelheit seiner Schlafklause. Der Sturm baute sich zu dem Zeitpunkt immer noch auf. Doch Kalan spürte, wie seine Kraft ihn genauso erdrückte wie die Wände des engen Zimmers.
    Die Träume waren wie der Sturm im Laufe der Tage immer stärker geworden. Obwohl keiner so deutlich war wie der von Kalans Vater, enthielten sie alle eine gewisse Bedrohlichkeit – Bruchstücke von Unterhaltungen, Ansichten der Burg aus merkwürdigen Winkeln. Auch andere Bilder machten sich breit: Malian, die in einem rotweißen Raum auf und ab ging, ein flüchtiger Blick auf die Herolde, die unter einem trüben Himmel an einer großen

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