Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Erbin der Nacht: Roman (German Edition)

Die Erbin der Nacht: Roman (German Edition)

Titel: Die Erbin der Nacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen Lowe
Vom Netzwerk:
hinterher. Kurz bevor der Fremde mit der schwarzen Maske völlig in dem Grau zu verschwinden schien, sah er sich um.
    » Also? « , sagte die barsche Stimme. » Du hast die Wahl, geh mit mir oder kehre um. Doch die Jagd ruft, also entscheide dich schnell! « Er wartete nicht auf eine Antwort, sondern ging in den dichten Nebel zwischen den Bäumen.
    Kalan zögerte und war mehr als nur ein bisschen unsicher, was diesen Fremden anging. Doch ebenso wenig wollte er zurückbleiben. Er atmete tief durch und folgte dem Mann, tauchte noch tiefer in den Traum ein – wenn es ein Traum war –, bis der Nebel sich um ihn schloss. Er konnte nicht einmal mehr die Stämme der Bäume sehen. Ihm fiel ein, was Jehane Mor über die Gefahren des Tors der Träume gesagt hatte, und er blieb stehen.
    » Ergib dich nicht der Angst « , sagte die barsche Stimme direkt vor ihm. » Es gibt zu viele Kräfte an diesem Ort, die sich davon ernähren und von dir angezogen würden. «
    Der Nebel hob sich erneut, als die Stimme sprach. Kalan sah die maskierte Gestalt, die auf ihn wartete. » Du hast es schon gut gemacht, mir bis hierher zu folgen « , sagte der Jagdmeister. » Aber wir haben noch einen langen Weg vor uns. «
    » Durch Nebel und Zeit « , dachte Kalan mit einem inneren Schaudern. Er fragte sich, wohin genau sein Traum ihn geführt hatte.
    Der Mund unter der Maske war wie eine harte Linie. Doch jetzt verzog er sich etwas. » Du folgst einem sehr langen Weg, der dich weit weg von allem führt, was du kennst, Junge. «
    Kalan war nicht einmal überrascht. So weit hinter dem Tor der Träume schien es unausweichlich, dass dieser Fremde, der ihm zufällig über den Weg gelaufen war, seine Gedanken lesen konnte. Der Bogen des Mundes unter der Maske wurde noch deutlicher. » Ich versichere dir, Junge, dieses Treffen war nicht zufällig. «
    Kalan starrte die schwarze Maske, den verdeckten Speer, den Stumpf der abgetrennten Hand und die Krähe auf der Schulter an. Regungslos und schweigend starrte die Krähe zurück. Aus dieser kurzen Entfernung konnte Kalan die Verbindung zwischen Mensch und Vogel spüren, wie den kalten Strom, der zwischen dem Mond und der Flut floss. Er fragte sich, wer sie waren und warum sie ihn gesucht hatten.
    » Wer seid Ihr? « , fragte Kalan zum zweiten Mal. » Was bedeutet es, der Jagdmeister zu sein? «
    Die schwarze Maske sah ausdruckslos zu ihm hinunter. Dann sagte die barsche Stimme: » Jede Frage muss ihre eigene Antwort finden, jeder Fragesteller seine eigene. «
    » Was ist das denn für eine Antwort? « , verlangte Kalan erschöpft zu wissen. Doch nur der Widerhall seiner eigenen Stimme antwortete ihm. Schließlich löste auch der sich im Nebel auf. In der Ferne bellte ein Hund. Die schwarze Maske wandte sich in Richtung des Geräuschs.
    » Ah « , sagte der Meister der Jagd, als ob er etwas hörte, auf das er gewartet hatte. Er schritt ohne ein weiteres Wort davon. Die Krähe erhob sich von seiner Schulter und flog auf leisen Flügeln voraus. Der Boden stieg an, und die Bäume kamen immer näher. Ihre Wurzeln wanden sich über den Pfad. Kalan musste sich beeilen, um den Mann einzuholen. Nebel waberte zwischen den Ästen. Hin und wieder warf Kalan einen kurzen Blick nach oben, anstatt seine Füße zu beobachten, und hätte schwören können, dass er eine Bewegung in den Tiefen dieses Nebels sah. Langsam erhob sich ein eindringliches, brummendes Lied über das Rauschen der Bäume.
    » Also kann es mir sogar hierher folgen « , murmelte Kalan. Seine Schritte wurden langsamer. Bald bemerkte er, dass etwas durch den Nebel auf ihn zugeschwommen kam, und blieb stehen. Er hatte allerdings die Umrisse dessen, was dort gerade jenseits seiner Sichtlinie hing, bereits erraten. Das Lied war auf finstere Weise frohlockend und wurde lauter, als er stehen blieb. Es erfüllte die Welt des Nebels und des Waldes. Die Krähe zog einen Kreis zurück und schwebte lautlos über seinem Kopf.
    Der Nebel wurde durchsichtig wie ein Schleier. Jetzt konnte Kalan den Speer sehen, der mitten in der Luft schwebte: Da war die flammenförmige Klinge aus schwarzem Stahl und auch die Kette aus dunklen, glänzenden Federn. Das eindringliche, unwiderstehliche Lied strömte aus ihm heraus. Kalan fragte sich, ob der Speer für ihn oder für die maskierte, rätselhafte Gestalt sang, die sich umgedreht hatte und zu ihm zurückkam.
    » Ich dachte, dieser Speer wäre zerstört worden « , sagte Kalan, ohne seinen Blick von der schwarzen Klinge

Weitere Kostenlose Bücher