Die Erbin der Nacht: Roman (German Edition)
einst in der Leere zwischen den Sternen jagten. Sie bellten nach Rache und Blut, nach Fehden und Krieg. Sie waren grausam und furchtbar, die milchweißen Hunde und die wilden, fröhlichen Jäger. Alle hatten Angst vor ihnen, sogar die Götter. Wenigstens sagt das die Legende. Wer weiß, vielleicht stimmt es sogar. Doch am Ende überwältigten die Neun sie, um alle Welten zu retten, und banden sie in das Netz, das Mayanne gesponnen hatte. Doch selbst die Neun wagten es nicht, die Jagd vollkommen anzubinden, denn Mayanne warnte sie, dass alles in den Welten und dazwischen einen Sinn hat und diesen Zweck erfüllen muss.
Es muss einen Ausweg geben, sagte sie, ein loses Ende, das nicht festgebunden ist, sonst wird alles zerreißen – und damit auch der Stoff der Wirklichkeit. Terennin, der große Handwerker, der Erschaffer der Neun, stellte den Ring her – das Symbol, wie er genannt wird –, damit die Macht der Jagd bei Bedarf losgelassen werden kann. Sowohl die Jagd als auch der Jagdmeister sind an dieses Symbol gebunden und werden bei seinem Ruf aufgeweckt. Sie müssen sich aber an die Grenzen halten, die von Mayannes Netz vorgegeben werden. « Die Stimme des Jagdmeisters wurde ernst. » Terennin sagte ebenfalls voraus, dass diese Bindung nicht für ewig ist und dass das alte Gewebe durch ein neues ersetzt werden würde. Dieses würde der Jagd erlauben, wieder in den Kreis der Welten und der Zeit zurückzukehren. Auch das hat Mayanne in ihre Schöpfung gewebt, obwohl es bisher nicht geschehen ist. «
» Nein « , sagte Kalan. Er warf einen Seitenblick auf die durcheinanderlaufenden Hunde und war geneigt zu hoffen, dass dies noch lange Zeit nicht geschehen würde. Seine Gedanken kreisten, und er versuchte, die Bedeutung des Rings an seinem Finger zu erfassen. Er fragte sich, ob Yorindesarinen das alles gewusst hatte, als sie ihm den Ring gab. Sie musste es doch gewusst haben. Und da die Neun die Jagd beherrschten und die Derai den Neun dienten, musste die Jagd doch eher ein Verbündeter sein, kein Feind …
» Täusche dich nicht « , sagte der Jagdmeister und schnitt seine Gedanken ab. » Sie jagen für sich selbst, es sei denn, ein Stärkerer bindet sie. Die Verfolgungsjagd selbst ist alles, was sie wollen, das Wilde und das Vergnügen daran, das warme Blut und das Töten am Ende. «
» Also warum sind sie jetzt erwacht, wenn ich doch nicht einmal wusste, dass ich das Symbol trage? « , fragte Kalan verwirrt. » Ich habe bestimmt weder sie noch Euch gerufen! «
Der Ton des Jagdmeisters war trocken. » Vielleicht sollten wir deine sternenhelle Heldin aufsuchen, um Antworten zu erhalten. Doch die Neun haben schließlich das Netz und den Ring erschaffen. Vielleicht ist es keine Überraschung, dass es das Symbol und die Jagd aufschreckt, wenn etwas das Netz stört. «
Kalan erinnerte sich an seine dunklen, rastlosen Träume und an die unmittelbare Gefahr, die er gespürt hatte. Das Gefühl, etwas Wichtiges vergessen zu haben, regte sich wieder. » Wodurch wurde es gestört? « , flüsterte er.
» Du trägst den Ring « , sagte der Jagdmeister. » Sieh nach, was die Hunde sagen. Dann hast du deine Antwort. «
Widerwillig wandte Kalan seine Aufmerksamkeit der Jagd zu. Er spürte die wilde Macht der Hunde, die wie an einer unsichtbaren Leine zerrte. Sie stand in starkem Kontrast zu der Jägergruppe, die sich weder bewegt noch gesprochen hatte, seit Kalan und der Jagdmeister eingetroffen waren. Es war, als ob die Jäger eingefroren wären, trotz der Hunde, die um sie herum wogten und bellten. Kalan kniff die Augen zusammen. Obwohl die Bewegungen der Hunde rastlos waren, galt ihre Aufmerksamkeit einer bestimmten Richtung. Er drehte sich um und folgte ihren eifrigen Blicken. Da sah er, dass der ganze Hügel hinter dem Rudel von einem schimmernden Vorhang aus Luft umgeben war. Auf den ersten Blick dachte Kalan, dass der Vorhang nur ein Strang aus feinem Nebel war. Doch als hinter dem Schimmer Gegenstände sichtbar wurden, erkannte er den rotweißen Raum. Seine Erinnerung und das Entsetzen überfluteten ihn gleichzeitig.
Ein Feuer brannte hell in der Feuerstelle. Daneben saß bewegungslos eine Frau und hielt ihren Blick auf das Feuer gerichtet. Der Feuerschein flackerte über ihr vernarbtes Gesicht und das rotweiße Baldachinbett, das auf der anderen Seite des Raums an der Wand stand. Ein schwarzhaariges Mädchen lag in den Schatten des Baldachins und schlief tief und fest. Doch ein silbernes Licht, heller als das
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