Die Erbin der Nacht: Roman (German Edition)
waren sogar noch größer als in Kalans Erinnerung. Ihre scharlachroten Augen brannten wie Wachfeuer in der Winternacht. Er spürte ihren Hunger, ihre Lust auf die Jagd und das Töten, und ihre Stärke, die sich wie ein zweiter Schild zwischen ihn und die Macht des Nachtmahrs schob.
Der Jagdmeister nahm seinen Speer, der zuvor am Torbogen gelehnt hatte, und trat vor. Aufrecht und groß stand er im Eingang der Turmruine. Kalan atmete langsam auf und bereitete sich auf die Konfrontation mit dem Dämon vor, aber der Jagdmeister hielt ihn mit ausgestrecktem Arm zurück.
» Gehe nicht weiter als bis zum Torbogen. Der Feind darf nicht erfahren, dass er dich gefunden hat. Er soll glauben, dass er eine der uralten Kräfte, die es an diesem Ort gibt, geweckt hat. «
Erst später erkannte Kalan, dass der Jagdmeister in seinem Kopf gesprochen hatte. Der Nachtmahr hatte nur das Knurren der Hunde gehört und eine dunkle Gestalt in der Turmruine dahinter gesehen. Doch zu diesem Zeitpunkt dachte Kalan nicht daran, denn im gleichen Moment drückten Kräfte, die ihm wie ein schwarzer Wind erschienen, gegen seine Abschirmung. Sie fühlten sich kalt, bösartig und hungrig an. Die Hunde heulten ihre Antwort in die Nacht und sprangen an der Innenseite der Barriere entlang, schnappten nach dem, was sie von draußen angriff. Der kalte, tödliche Druck wich.
Hinter dem Schutzkreis nahm der Wind erneut zu. Eine Sturmböe fegte der Hügelkuppe entgegen – und dann stieß der Dämon, der auf dem Wind ritt, einen langen Schrei aus, der das Blut in den Adern gefrieren ließ. Kalan zuckte zusammen, aber die Hunde zögerten nicht. Sie warfen sich dem Dämon entgegen, dürsteten nach Blut, Zerstörung und Tod. Die flammenerfüllte Schwärze kam zum Stehen; sie schwebte knapp hinter dem Schildrand. Die Hunde knurrten, ein drohender Donner, der die Erde erbeben ließ.
Und dann trat der Jagdmeister vor. Sein Umhang umwehte seine Fersen. » Verlass diesen Ort, Nachtmahr. «
Seine Stimme war stark und kalt. Die Krähe breitete die Flügel aus und krächzte zustimmend. » Dieser Boden gehört der Jagd von Mayanne. Du darfst hier nicht jagen! «
Die Dunkelheit antwortete nicht, aber nach einem langen Moment schlossen sich die grünen Augen nacheinander. Die Schwärze, die sie umgab, zog sich langsam zurück und verschwand. Die Hunde entspannten sich, setzten oder legten sich auf den Boden, eingehüllt in das sanfte Licht der Perle. Der Jagdmeister blieb stehen, den Kopf zur Seite gedreht, als lausche er auf den Wind oder auf etwas, das sich darin verbarg. Dann kehrte er zu Kalan zurück.
» Wer auch immer ihn Nachtmahr genannt hat « , sagte er, als er seinen Speer an den Torbogen lehnte, » hat den richtigen Namen gewählt. «
» Was wisst Ihr über den Nachtmahr? « , fragte Kalan. Auch hinter dem Tor der Träume war der Wind kalt, und er legte seine Arme um den Körper, um sich zu wärmen.
Der Jagdmeister hob die Schultern. » Abgesehen davon, dass er mit dem Schwarm der Finsternis jagt? « Kalan glaubte Sarkasmus unter der dunklen Maske zu erkennen. » Man könnte sagen, dass die Derai selbst den Dämon nach Haarth gebracht haben, denn eure Allianz hat den Schwarm mit sich gerissen, als der Malstrom ihres gewaltigen Portals den Stoff, aus dem die Welten sind, zerriss. «
Kalan starrte ihn an. Aus Sarkasmus wurde grimmige Erheiterung. » Hast du das nicht gewusst, Junge? « , fragte der Jagdmeister. » Anscheinend hinterlassen manche Kapitel der Geschichte selbst für die Derai einen zu bitteren Nachgeschmack. Jedenfalls sind die Nachtmahre mächtige Raubtiere, egal, wie sie hierhergekommen sind. In der Nacht ist ihre Macht am größten, da sie bei Tageslicht fast blind sind – aber das sollte dich nicht in Sicherheit wiegen. Ihr Geruchssinn ist sehr gut ausgebildet, sie können allein mit ihm jagen. Obwohl es Nacht ist, glaube ich nicht, dass der Dämon zurückkommen wird, solange die Jagd hier ist. Ich vermute, dass er sich zurückziehen und nach Verbündeten suchen wird, wahrscheinlich bei denen, die er über den Telimbras begleitet hat. Dann wird er bei Tag versuchen, deine Spur wiederzufinden. «
Er hob die Schultern. » Und selbst in Jaransor kann dich die Jagd nicht bei Tag beschützen. «
Kalan nickte. Er wusste bereits, dass sie nicht an diesem Ort bleiben konnten, dass er ihnen nur Schutz für eine Nacht oder bis zum Ende des Schneefalls bot. Er betrachtete die Hunde, die den Schild bewachten.
» Sie wirken anders « , sagte
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