Die Erbin der Nacht: Roman (German Edition)
Wachen und Ratsmitglieder sowie die beiden jungen Priester, die sich offensichtlich nicht wohl in ihrer Haut fühlten. In diesem Abschnitt hatte es keine Kämpfe gegeben, doch es waren sehr viele Wachmänner anwesend. Sie standen vor dem Zimmer des Grafen und dann in regelmäßigen Abständen den Flur entlang. Die meisten stammten aus der Burggarnison, doch an der Tür der Kleinen Kammer wachten Ehrengardisten. Nhairin nahm an, dass sie aus denen rekrutiert worden waren, die die Nacht unverwundet überlebt hatten. Sie sah auf allen Gesichtern die gleiche Erschöpfung, egal, wie wachsam sie aussahen.
Die meisten Ratsmitglieder des Grafen ignorierten die wartenden Priester vollkommen oder stolzierten an ihnen mit einem Seitenblick voller Abscheu vorbei. Doch Teron blieb neben Nhairin stehen und starrte die Priester wütend an, die geballten Fäuste auf die Hüften gestemmt. » Was machen die hier, Garan? « , verlangte er zu wissen und warf dem Wachmann, der neben ihm stand, einen finsteren Blick zu.
Der Wachmann wahrte sorgsam einen neutralen Gesichtsausdruck. Er schaute von Teron zu den nervösen Priestern. » Befehl des Hauptmanns « , antwortete er. » Sie schien der Meinung zu sein, dass die Priesterin das Recht auf Gefolge hat. «
» Das ist wohl wahr « , stimmte Nhairin widerwillig zu. » Priesterin Korriya gehört dem Blut des Hauses der Nacht an und ist Verwandtschaft ersten Grades des Grafen. «
Teron wagte es nicht, sie ebenfalls finster anzustarren. » Sie ist eine Priesterin « , protestierte er. » Verwandtschaft oder nicht, man sollte sie nicht einmal in die Nähe des Grafen lassen, schon gar nicht, ohne dass mehr von uns ihn bewachen! «
Haimyr lachte. » Ich glaube nicht, dass der Graf sich in großer Gefahr befindet, auch nicht ohne Eure rettende Gegenwart, Sir Schildknappe. «
» Ihr kennt die Priestergattung nicht, Barde « , antwortete der Jüngling mürrisch. » Sie ist verschlagen und verräterisch. «
» Spricht da die eigene Erfahrung aus Euch? « , fragte Haimyr bedächtig.
» Aus mir? Nein! « Teron sah geradezu beleidigt aus. » Wir folgen in unserer Feste dem Beispiel des Hauses des Blutes und werden angesichts ihres früheren Verrats keine Priester innerhalb unserer Mauern dulden. « Dann fügte er finster hinzu: » Wo wir gerade von Verrat reden, woher wissen wir denn, dass der Angriff letzte Nacht nicht eine Verschwörung zwischen dem Tempelviertel und den Priesterhäusern war? «
» Das wissen wir natürlich nicht « , antwortete Haimyr. » Doch nach dem, was ich von den Ereignissen der letzten Nacht weiß, und angesichts der Vielzahl toter Priester erscheint das unwahrscheinlich. «
Terons finsterer Blick hellte sich nicht auf. » Was wisst Ihr schon? « , murmelte er. » Ihr seid nur … « Er sah ein Aufblitzen in Haimyrs goldenen Augen und unterbrach sich. Der Tonfall des Barden blieb allerdings unverändert.
» Ein Außenstehender? « , fragte er unbeschwert. » Aber ja, das bin ich. Gleichwohl versuche ich, meine Augen und Ohren zu benutzen – und ein wenig von dem, was dazwischen liegt. «
Nhairin schnaubte. Teron warf ihr einen wütenden Blick zu und verbiss sich offensichtlich eine Antwort. Die Wachen waren zweifellos erheitert, machten aber keine Anstalten, ihn fortzuschicken. Die beiden Priester blieben vorsichtig am anderen Ende des Flurs. Ihre Gesichter waren die ganze Zeit ausdruckslos geblieben, doch die junge Frau war über ihren Wangenknochen errötet. Terons streitlustiger Blick wandte sich wieder den beiden zu. » Ich sage immer noch, sie sollten nicht hier sein « , sagte er laut.
Garans erheiterter Ausdruck veränderte sich nicht, doch in seiner Stimme schwang ein warnender Tonfall. » Befehl des Hauptmanns, junger Teron, das gilt auch für Euch. Also haltet die Luft an wie ein braver Junge, sonst muss ich Euch zum Teufel jagen. «
Teron wurde vom Kragen bis zu den Haarwurzeln dunkelrot. Doch er schwieg. Nach einer winzigen Pause wandte Haimyr sich wieder an Nhairin. Er sah ihren Ausdruck und zog seine Augenbrauen hoch. » Ah « , sagte er, » noch ein saures Gesicht, wie ich sehe. Ihr glaubt doch sicherlich nicht auch, dass die Priesterin für den Grafen eine Gefahr darstellt? «
Nhairin verzog den Mund. » Nein « , antwortete sie knapp. » Es ärgert mich nur maßlos, dass Korriya sich auf das Recht der Sippe und des Blutes beruft, um unter vier Augen mit Tasarion zu sprechen, ich fortgeschickt werde und Asantir bleiben darf. Ich bin schließlich
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