Die Erbin der Nacht: Roman (German Edition)
geht es nur um Zahlen? « , fragte Asantir, bevor der Graf antworten konnte. » Was ist mit der Finsterschwinge? Ist sie tot oder nur geflohen? Und falls sie geflohen ist, wo ist sie dann? Wir wissen ebenfalls, dass wenigstens einige der Eindringlinge sich in die Alte Burg zurückgezogen haben. Was wir nicht wissen, ist, wie viele andere dort als Nachhut geblieben sind oder welche Zaubereien des Finsteren Schwarms sie uns noch entgegenschleudern werden. Wir wissen nicht, wer sie anführt oder was ihre Ziele sind. Was diejenigen aus dem Tempelviertel angeht, wisst Ihr überhaupt, wie sie handeln, wenn sie unter Druck geraten, geschweige denn unter Beschuss? «
Korriya hielt eine Hand in die Höhe. Ihr müdes Gesicht wurde von Farbe überzogen. » Ich sagte, falls es nur um die Zahlen geht, Hauptmann « , sagte sie. » Was den Rest angeht, so glaube ich nicht, dass die Finsterschwinge tot ist. Sie floh und wurde vom Goldenen Feuer sehr geschwächt. Doch ich kann nicht beschwören, dass sie nicht mehr in der Lage ist, uns Ärger zu bereiten. Ich kann ebenfalls nicht sicher sein, ob wir mit ihr besser fertigwerden, wenn sie verwundet und nicht im Vollbesitz ihrer Kräfte ist. Es ist allerdings anzunehmen, dass wir zumindest ihre Anwesenheit spüren – und die anderer Ausgeburten der Finsternis in der Alten Burg. «
» Aber uns nicht vor ihnen beschützen, nicht wahr? « , warf Asantir ein.
Die Priesterin schüttelte den Kopf. » Unsere Schutzmächte sind begrenzt, wie wir letzte Nacht entdeckt haben, als die Feinde uns so eindeutig überlegen waren. « Trauer und Scham huschten kurz über ihr Gesicht.
» Wir waren letzte Nacht alle unterlegen « , sagte der Graf zu ihr. » Unsere Schutzzauber versagten, wir wurden sowohl von dem Angriff als auch der Art und Weise, wie er ausgeführt wurde, überrascht. Es hat uns viel gekostet, diesen Angriff zurückzuschlagen. Es wird uns noch mehr kosten. Die Moral der Nacht wird darunter leiden, unser Ruf in der Derai-Allianz wird davon in Mitleidenschaft gezogen, und wir werden nicht sagen können, dass wir unseren Feind endgültig geschlagen haben, bis wir die Alte Burg ebenso wie die Neue gesichert haben. Das könnte Jahre dauern. «
Korriya sah von seinem grimmigen Gesicht zu Asantirs ausdruckslosen Zügen. » Ich verstehe « , sagte sie. » Dann ist es sogar noch wichtiger, dass ich Hilfe anbiete, egal, wie begrenzt unsere Kräfte sind. «
Der Graf schüttelte seinen Kopf. » Das Angebot ist bedeutungslos, da der Eid uns alle bindet und nicht aufgelöst werden kann. Die Tore zwischen dem Tempelviertel und der Hauptburg sind vielleicht zerbrochen, doch wird es eine weit größere Kraft brauchen, um die Spaltung, die diese Tore versiegelte und den Tempel von der Burg sowie Krieger und Priester trennte, zu überbrücken. «
» Was uns teuer zu stehen kommt « , antwortete sie. » Das hat die letzte Nacht bewiesen. «
» Vielleicht « , sagte er, doch er sah nicht sie, sondern das Feuer an. » Trotzdem ist es jetzt meine Pflicht, die Stärke und die Zuversicht der Nacht wieder aufzubauen und sie nicht noch weiter zu untergraben. «
» Es gibt in diesem Moment keine größere Bedrohung für die Nacht, als die Erbin nicht zu finden und in Sicherheit zu bringen. « Korriyas Stimme war leise, aber scharf. » Ihr seid ein Narr, Tasarion, wenn Ihr das nicht erkennt! «
Daraufhin sah der Graf sie an. » Wagt Euch nicht zu weit vor, Priesterin « , sagte er düster. » Der Bluteid bindet uns alle, genauso wie das Recht der Sippschaft und des Blutes, das Euch heute hierhergebracht hat. Wenn man Eure Neuigkeiten bedenkt, bin ich durchaus dankbar, dass Ihr das Recht in Anspruch genommen habt. Mir ist auch bewusst, dass Euer Rat begründet ist. Doch täuscht Euch nicht, Ihr seid hier nur geduldet. Ich bin es, zusammen mit meinen Ratsmitgliedern, der die Bedrohungen für die Nacht abwägt und die nötigen Entscheidungen trifft, niemand anderes. «
Ihre Blicke waren starr aufeinander gerichtet. Es herrschte eisiges Schweigen. Keiner wich zurück; der eine war kalt und finster, die andere grau und abwägend. Dann seufzte Korriya und erhob sich. » Ihr habt recht « , sagte sie leise. » Angesichts des Eids habe ich nur das Anrecht des Blutes Euch gegenüber. Doch wir sind beinahe die Letzten dieses Blutes. Vielleicht habe ich mich in meinem ängstlichen Bestreben, dieses zu erhalten, unbeherrscht geäußert. Dennoch, auch ich wurde im Haus der Nacht und in seinem Blut geboren, und ich
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