Die Erbin der Nacht: Roman (German Edition)
das alte Gesetz, aber ich sage immer noch, dass das nicht gut enden wird. Ganz und gar nicht gut. « Er sah Haimyr aufmerksam an. » Und was wollt Ihr? «
» Welch ausgesuchte Höflichkeit « , sagte Haimyr. » Ich kam her, mein bester Kammerherr, um mich nach unseren Gästen von gestern Abend zu erkundigen, den Herolden der Gilde. Wie ist es ihnen in der Zeit seit dem Kampf der letzten Nacht ergangen? «
» Besser als den meisten « , antwortete der Kammerherr immer noch kurz angebunden, » da sie im Gästeflügel untergebracht sind, der von den Kämpfen verschont blieb. Jetzt bestehen sie allerdings auf ihrer Audienz beim Grafen. « Er hob seine Hände. » Der Graf, ich bitte Euch! Sie müssen genau wie jeder andere warten, bis sie an der Reihe sind – und das habe ich ihnen auch gesagt. «
Nhairin nickte und versuchte, verständnisvoll auszusehen. » Wisst Ihr, wo sie sich jetzt befinden? « , fragte sie.
» Zweifellos dort, wo sie nicht sein sollten « , antwortete der Kammerherr barsch. » Ich habe darum gebeten, dass sie auf den Ruf des Grafen in ihrer Gästeunterkunft im Turm der Rose warten. Doch jetzt muss ich hören, dass sie hinunter in die Ställe gegangen sind, um nach ihren Pferden zu sehen oder so etwas. Als ob wir nicht genug Stalljungen hätten! «
» Nun, das ist ganz und gar nicht ungebührlich « , sagte Nhairin. Doch der Kammerherr zuckte mit den Schultern.
» Sie sollten nicht einfach in der Burg herumlaufen, nicht in Zeiten wie diesen! Und ich habe Besseres zu tun, als sie aufzuspüren, wenn der Graf sie dann schließlich zu sehen wünscht. Falls er sie zu sehen wünscht « , schloss er leise.
Sie überließen den Kammerherrn seinen Papieren. Nhairin wartete, bis sie außer Hörweite waren, bevor sie den Barden anhielt. » Was führt Ihr im Schilde, Haimyr? « , wollte sie wissen. » Und was haben diese Herolde damit zu tun? Ihr wollt doch sicher nicht behaupten, dass sie Aufspürer sind? «
Haimyrs einzige Antwort bestand aus einem verschleierten Blick. Sie machte einen Schritt von ihm weg. » Aber das ist unmöglich! « , sagte sie ungläubig. » Nur Derai-Priester haben diese Macht! «
» Nhairin, Nhairin « , rügte der Barde sie, » Ihr werdet genauso kurzsichtig wie Teron. Man sagt am Strom, dass die Herolde der Gilde die Versteckten finden und die Verirrten aufspüren können. Sie sind sogar ziemlich berühmt dafür. Also sind es augenscheinlich nicht nur die Derai, die diese Kraft besitzen. «
Die Hofmarschallin schüttelte den Kopf. » Wie kann das sein? « , flüsterte sie. » So etwas ist noch nie zuvor geschehen, noch nicht einmal jenseits des Tors der Sterne. Verzeiht mir, aber das kann ich kaum glauben. «
Haimyr lächelte. » Nun, dann muss ich es Euch beweisen. Wir werden diese Herolde aufsuchen und herausfinden, ob sie uns helfen werden. « Spöttisch zog er eine goldene Augenbraue hoch. » Ihr Einverständnis sollte sogar für Euch Beweis genug sein, meine zweifelnde Nhairin. «
Sie richtete sich auf und errötete leicht. » Erst müssen wir sie einmal finden. Der Turm der Rose liegt auf dem Weg zu den Ställen. Wir sollten es dort zuerst versuchen. «
Die Rose war der höchste Turm in dem Komplex aus Wachtürmen und Laufgängen, aus denen der Gästeflügel der Burg bestand. Er befand sich in der Nähe des Tors der Winde. Früher quoll der Flügel über mit Gästen und Gesandten. Doch nun, da die Derai sogar einander misstrauten, wurde nur noch der Turm der Rose in diesem Komplex benutzt.
Nhairin humpelte die Stufen zu der Doppeltür hinauf und überlegte, dass sowohl der Name als auch die Legende, die sich um den Bau dieses Turms rankte, etwas Romantisches hatten. Demnach hatte vor langer Zeit ein Graf der Nacht ihn gebaut, um seine Geliebte aus dem Haus der Rose zu beherbergen. Geliebte oder nicht, es war sehr viel Zeit verstrichen, seit jemand aus diesem Haus sich in der Burg der Winde aufgehalten hatte, obwohl den Turmeingang noch immer ein in Stein gemeißelter Rosenstock schmückte und die Türen mit in Silber gestanzten Rosen verziert waren.
Niemand, der hierherkam, würde denken, dass in der vergangenen Nacht ein Kampf im größten Teil der Burg getobt hatte. Alles war ruhig, friedvoll und still; und dennoch wirkte der Turm seltsam verlassen. Sobald Nhairin diesen Gedanken zu Ende gedacht hatte, verspottete sie sich innerlich. Doch sie konnte das Gefühl, dass diese Stille eine andere Qualität hatte, nicht völlig abschütteln. Es schien, als ob der
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