Die Erbin der Nacht: Roman (German Edition)

Vermutungen in diesem Fall noch weniger gefallen werden.«
    Der Graf setzte sich mit grimmigem Gesicht wieder hin. » Noch eine Blutangelegenheit? « , fragte er. Sie nickte. Er machte eine kurze, ungeduldige Geste. » Dann sprecht. Ihr müsst mich nicht schonen. «
    » Tatsächlich « , antwortete sie leise, » glaube ich nicht, dass ich das könnte. Euer Schildknappe sprach von Verrat. Ich glaube, dass er recht hat. Ich glaube, dass wir auch jetzt noch nicht so schwach sind, dass der Schwarm ohne Hilfe in die Alte Burg eindringen könnte. Nur jemand vom Blut oder jemand, der mit großer Macht versehen ist, könnte ihre eingebauten Schutzzauber umgehen. Als die ersten Angreifer ins Tempelviertel strömten, gab es einen Hauch von etwas … eine Signatur oder ein Siegel auf den Zaubersprüchen, die sie benutzten, das ich erkannte. Es war nur schwer fassbar, erschien mir aber vertraut. Dennoch konnte ich es nicht benennen. Dann kam natürlich die Finsterschwinge, und es war keine Zeit mehr, um Dinge beim Namen zu nennen. « Sie hielt inne und sammelte beinahe sichtbar all ihre Stärke. » Seitdem bin ich aber immer wieder zu dieser nicht fassbaren Vertrautheit zurückgekehrt. Schließlich fiel mir ein Name ein. Doch das scheint undenkbar. «
    » Nur « , sagte der Graf scharf, » dass Ihr es bereits denkt. Keine Rätsel mehr, Korriya. Sagt mir den Namen! «
    Sie hob den Kopf und sah ihm in die Augen. » Nerion « , sagte sie.
    Er zuckte zurück, als ob sie ihn geschlagen hätte. » Wie kann das sein? « , rief er. » Sie haben uns gesagt, dass sie tot ist! «
    » Sie sagten! « , erwiderte Korriya mit kaum wahrnehmbarem Stirnrunzeln. » Sie wurde ins Exil zu denjenigen geschickt, die keinen Grund haben, dieses Haus zu lieben – und dennoch … Wer hier hat nach der Todesursache gefragt oder ihren Leichnam für eine Bestattung gefordert, als sie sagten, dass sie nicht mehr unter uns ist? Wir waren nur zu gerne bereit, ihr Wort, sie sei tot, zu akzeptieren. Doch wäre sie noch am Leben … Wenn sie nicht tot, sondern geflohen ist, dann könnte sie nach Rache dürsten. «
    » Und so « , sagte Asantir, » kommen wir mit dem vierten Rätsel zumindest teilweise wieder auf das erste zurück. Sie schienen etwas oder jemanden zu suchen; sogar so intensiv, dass sie beinahe den Zeitpunkt für ihren Rückzug verpasst hätten. «
    » Was wollt Ihr damit sagen? « , fragte der Graf sie. » Dass die Mutter nach der Tochter sucht? «
    » Das passt teilweise ins Bild « , antwortete Asantir, » obwohl die Angreifer möglicherweise mehrere Ziele verfolgten. « Sie runzelte die Stirn. » Das sagt uns allerdings nicht, warum sie jetzt angegriffen haben. «
    » Aber Nerion « , sagte der Graf und schüttelte den Kopf, » am Leben und zum Finsteren Schwarm übergelaufen? Wie kann das auch nur ansatzweise möglich sein? «
    Erschöpft lehnte die Priesterin sich in ihrem Stuhl zurück. » Ihr denkt an die Nerion, die wir beide kennen. Jetzt bedenkt ihr Schicksal: verstoßen, ins Exil geschickt und verlassen. Außerdem bleibt die Tatsache, dass jemand unsere Angreifer durch die Alte Burg geführt hat. Jemand, der die Burg sehr gut kannte. «
    » Und Nerion rannte dort mehr als alle anderen herum, als wir noch jung waren. « Der Graf sprang wieder auf und marschierte zwischen Tisch und Feuerstelle hin und her. » Jetzt wird vermutet, dass Malian an genau dem Ort verschwunden ist. Wenn Nerion da drin ist … « Er schüttelte seinen Kopf. » Wenn ich doch nur Eurem Bericht über das Goldene Feuer mehr Vertrauen schenken könnte. Doch eine fünfhundert Jahre alte Erinnerung ist ein zu dünnes Fädchen, um Malians Leben und die Zukunft der Nacht daran aufzuhängen. «
    » Wir können es uns nicht leisten, auf das Schlimmste zu warten « , sagte Korriya eindringlich. » Wir müssen handeln. «
    » Was können wir tun? « , antwortete der Graf. » Außer dem, was wir ohnehin schon vorhaben – uns neu formieren und dann die Alte Burg Raum für Raum, Etage für Etage zu durchsuchen. Wir brauchen unbedingt Wyrhunde, denn bei den Neun, jener Ort ist wie ein Labyrinth. Asantir hat recht, wir haben nicht mehr genug Leute, um uns damit auseinanderzusetzen. «
    » Oder die Macht « , fügte die Priesterin leise hinzu. Sie richtete sich auf und sprach vorsichtig weiter. » Falls es nur um Zahlen geht, dann gibt es trotz der Verluste der letzten Nacht immer noch die im Tempelviertel, die bei der Suche helfen können. Sofern Ihr es erlaubt. «
    » Aber