Die Erbin der Nacht: Roman (German Edition)
gesprochen, das letzte Nacht durch diese Hallen gezogen ist. Doch was, wenn wir ihm erneut begegnen? Oder anderen seiner Art? Dann riskieren Jehane Mor und ich, von dem Jäger der Finsternis aufgesogen und nutzbar gemacht zu werden. Das Schicksal wäre schlimmer als physische Verletzungen oder der Tod. «
Asantir runzelte die Stirn. » Obwohl Ihr das wisst, seid Ihr bereit, Euch in die Alte Burg zu begeben? «
» Das Leben ist ein Risiko « , antwortete der Herold. » Der Tod ebenso. Man kann sich vor beidem nicht verstecken. Wenn wir uns jetzt abwenden, finden wir nur ein anderes Grauen, das hinter der nächsten Straßenecke auf uns wartet. Ihr habt um unsere Hilfe gebeten, und wir haben zugestimmt, das zu tun, was uns möglich ist. Das ist alles. «
» Ich werde gar nicht erst versuchen, so zu tun, als ob ich das verstünde « , sagte Asantir, » aber ich danke Euch von Herzen. Der Graf wird selbstverständlich weit mehr anzubieten haben, wie es einem Lord der Derai angemessen ist. «
» Selbst Euer Dank « , sagte Jehane Mor bescheiden, » ist ein großes Geschenk. Doch jetzt entschuldigt uns bitte. Wir müssen uns ausruhen, wenn wir unsere Kräfte schon so bald erneut einsetzen sollen. «
Alle anderen erhoben und verbeugten sich vor ihnen. Sogar Nhairin, obwohl sie ihren Blick auf die zerkratzte Tischplatte richtete, als die beiden an ihr vorbeigingen. Als Jehane Mor doch vor ihr stehen blieb, hob sie den Blick mit deutlichem Widerwillen. Die hellen Augen schienen die Tiefen von Nhairins Seele zu erforschen. Dabei formte ihre Hand die Narbe, die ins Gesicht der Hofmarschallin geschnitten worden war, berührte sie aber nicht. » Der Klingenschnitt, der Fleisch verunstaltete « , sagte Jehane Mor, » muss nicht die Narbe des Geistes sein, Nhairin der Derai … Es sei denn, Ihr macht sie dazu. «
Nhairin schlug die Hand fort und schäumte vor Wut über diesen Frevel. » Weder mein Geist noch meine Narben gehen Euch irgendetwas an, Herold! «
Jehane Mor neigte ihren Kopf. » So ist es « , stimmte sie zu und ging hinaus. Ihr grauer Umhang umwehte sie. Tarathan von Ar folgte ihr. Die Tür des Ehrenraums klappte hinter ihnen zu. Nhairin legte ihre Hände vor ihr schmerzendes Gesicht. Ihre Finger drückten gegen ihren Haaransatz. » Wer glauben die eigentlich, wer sie sind, mit ihren geheimnisvollen Reden und ihrer neugierigen Art? «
Asantirs Tonfall war neutral. » Nhairin, ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, was Ihr Euch dabei gedacht habt, so mit einem Gast zu sprechen; ganz zu schweigen davon, dass es ein Gast ist, dessen Hilfe wir benötigen. Man könnte glauben, dass Ihr ihre Hilfe nicht wollt. «
» Ich bin mir nicht sicher, dass ich sie will « , murmelte Nhairin. » Was wissen wir denn schon über sie? Sie sind Außenstehende und obendrein eine Art Priester. «
» Doppelt verflucht also « , murmelte Haimyr.
Nhairin hob ihren Kopf aus ihren Händen. » Ich meine nicht Euch, Haimyr, das wisst Ihr genau. Mir bereitet ihre verflucht unheimliche Art Unbehagen. «
Haimyr zuckte mit den Schultern. » Das ist eben die Art der Herolde, meine Nhairin. Ich glaube, das bekommen sie in den Gildenhäusern beigebracht. Genau wie ich an der Akademie der Barden in Ij gelernt habe, Tonleitern zu spielen. «
Asantir grinste kurz und schüttelte dann den Kopf. » Wir müssen praktisch denken, Nhairin. Wir haben keinen Aufspürer, und wir brauchen einen. Sollten wir ihre Hilfe ablehnen, nur weil ihre Art uns merkwürdig anmutet? «
Nhairin verschränkte die Arme. » Ich denke nicht « , gab sie zu. » Doch es muss mir nicht gefallen. Es ist offensichtlich, dass sie mächtig sind. Aber wir kennen ihre Beweggründe nicht, und sie haben selbst gesagt, dass alles einen Preis hat. Ihrer könnte uns nicht gefallen, wenn wir ihn schließlich herausfinden. «
Haimyr warf seine goldenen Arme erschöpft in die Luft, was eine Klingelkaskade auslöste. » Müsst Ihr mit jedem Schatten boxen? « , verlangte er zu wissen. » Alles birgt ein Risiko. Das haben sie ebenfalls gesagt. Doch die Gefahr ihrer unbekannten Beweggründe scheint momentan verglichen mit dem Risiko, Malian nicht zu finden, verschwindend gering. «
Asantir beobachtete immer noch Nhairin. » Ich stimme Haimyr zu « , sagte sie leise. » Ihre Hilfe ist von unschätzbarem Wert. Denn sie bedeutet, dass wir nicht länger nach Verstärkung suchen müssen, die wir nicht haben. Jedenfalls nicht nach letzter Nacht. Mit dem Herold Tarathan können wir
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