Die Erbin der Nacht: Roman (German Edition)
hatte. Sie schauderte, erinnerte sich an das unheimliche Licht und wusste, dass sie nachdenken und Pläne schmieden musste. Der Schmerz war nicht so stark, wenn sie die Augen geschlossen hielt und sich nicht bewegte. Aber wenn sie das tat, spürte sie, wie sie wieder in die Flut der Dunkelheit zurückglitt. Das war viel zu gefährlich. Sie musste trotz ihrer Schmerzen bei Bewusstsein bleiben.
Malian öffnete mit großer Anstrengung ihre Augenlider und konzentrierte sich auf Kalan. » Sie suchen nach uns « , sagte sie.
Er runzelte die Stirn. Sie sah die tiefe Erschöpfung unter seiner Besorgnis. » Wer? « , fragte er. » Unsere Freunde oder unsere Feinde? «
» Beide « , sagte sie. » Ich hörte Stimmen … Unsere Feinde waren da, aber ich hörte auch Nhairin und meinen Vater. Er sprach mit Asantir und sagte, dass man mich finden muss. «
» Der Hauptmann der Ehrengarde? « , fragte Kalan. Sie hörte, dass plötzlich Hoffnung in seiner Stimme lag. » Meinst du, dass sie höchstpersönlich nach dir suchen würde? «
Malian wagte nicht zu nicken. Doch sie streckte ihre Hand aus und berührte seine Finger. » Nach mir, ja « , sagte sie ehrlich. » Und wenn uns jemand finden kann, dann Asantir. «
» Das hier ist ein sehr seltsamer Ort. « Niedergeschlagenheit ersetzte die Hoffnung in Kalans Stimme. » Vielleicht kann uns hier niemand finden. «
Malian wollte sich nicht einschüchtern lassen. » Vielleicht kommt das Feuer zurück « , sagte sie. » Wenn nicht, müssen wir uns selbst einen Weg hier heraus suchen, das ist alles. «
Kalan grinste. » Das ist alles « , wiederholte er. » Nun, vielleicht sollten wir angesichts dessen, was uns widerfahren ist, daran glauben, dass wir einen Weg finden werden! « Sein Ausdruck wurde wieder nüchtern. » Und wir haben weder Nahrung noch Wasser. Also müssen wir früher oder später einen Weg hier heraus finden. Aber du bist verletzt, und auf mich kann man verzichten. Also werde ich vorangehen, wenn wir diese Türen wieder ausprobieren. «
Malian schloss kurz die Augen und rief sich die furchtbare Macht ins Gedächtnis, die nur darauf aus war, sie zu finden. Allein daran zu denken schien die Gefahr wieder näher zu bringen, so als ob Malian die Aufmerksamkeit ihrer Feinde auf sich lenkte. Sie zwang sich, wieder zu dem ständigen Hämmern in ihrem Kopf zurückzukehren. » Wir müssen zusammen gehen « , sagte sie. Die Klarheit und Stärke ihrer Stimme überraschte sie selbst. » Ich, um den Weg zu finden, und du, um uns vor unseren Feinden zu verstecken. « Ihre Finger schlossen sich um seine. » Keiner von uns wird es allein schaffen. Und selbst wenn, ist das keine Garantie dafür, dass man den Weg zurück findet. «
Sie hörte die Wahrheit in ihren Worten und sah die Erkenntnis auf Kalans Gesicht. » Wenn du das so sagst, klingt es sehr einfach « , stimmte er zu. Dann wandte er seinen Blick ab und runzelte die Stirn. » Wahrheitsfinder « , sagte er so leise, dass sie es beinahe nicht gehört hätte.
Wahrheitsfinder. Das Wort summte in Malians Kopf herum und war schneidender als der Schmerz. Wahrheitsfindung war eine der Alten Kräfte, wie Gedankensprechen … und Feuerschleudern. Wenigstens hatte sie das noch nicht getan. Die anderen beiden Kräfte waren schlimm genug. Malian verschloss ihre Gedanken sorgfältig vor dem, was sie getan hatte – nein, tat – und vor den Konsequenzen, die es nach ihrer Rückkehr in die Burg haben würde. In diesem Moment zählte allein, den Rückweg überhaupt zu finden.
» Hilf mir hoch « , sagte sie und umklammerte Kalans Arm. » Ich möchte mir diese Türen näher ansehen. «
Der Schmerz, der durch Malians Kopf raste, als sie aufstand, war so intensiv, dass sie beinahe wieder ohnmächtig wurde und mit bleichem Gesicht hin und her schwankte. Kalan stützte sie, bis die Schmerzwellen und die Übelkeit, die sie begleiteten, vorüber waren. Sein Arm hielt sie aufrecht und fühlte sich wie ein Fels in der Brandung an. Doch sobald sie wieder klar sehen konnte, erkannte Malian die Angst und Unsicherheit in seinen Augen. Sie versuchte, so gut es ging, ihn anzulächeln. » Ich komme schon zurecht « , sagte sie und versuchte, Kraft in ihre Stimme zu legen. » Wirklich. «
Sie ging einmal mit quälender Langsamkeit um den ganzen Raum herum und blieb an jedem der zwölf bogenförmigen Portale stehen. Es war genau, wie Kalan gesagt hatte: Der Nebelschleier, der die Türrahmen ausfüllte, war durch einen undurchdringlichen Nebel
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