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Die Erbin der Nacht: Roman (German Edition)

Die Erbin der Nacht: Roman (German Edition)

Titel: Die Erbin der Nacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen Lowe
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ersetzt worden. Seine weiße Farbe sah weich und nachgiebig aus, als ob sie ihre Hand ganz einfach hinein- und hindurchstecken könnte. Doch jedes Mal, wenn sie es versuchte, war die Barriere hart und kalt wie Marmor und wies ihre Berührung ab. Malian betrachtete in allen Einzelheiten die Buchstaben und Symbole, die tief in die Türrahmen eingeschnitzt waren. Sie erkannte, dass jede Tür anders war, als ob jeder Torbogen eine einzigartige Botschaft zu verkünden hätte. Diese war genauso unverwechselbar wie der deutliche Schlag, den die Macht unter ihrer Hand aussandte. Einige Türen ließen sie gleichgültig, bei anderen spürte sie Feindseligkeit oder eine Mischung aus Emotionen. Doch keine der Türen öffnete sich für Malian.
    » Zwölf Türen « , murmelte sie schließlich. Dabei stützte sie sich immer noch auf Kalans Arm. » Und zwölf Abschnitte auf dem Tisch. Aber zwölf? Bei neun wäre des Rätsels Lösung einfach: eine Tür und ein Abschnitt für jeden der Neun Götter, oder jedes der neun Häuser oder beides. Aber zwölf? «
    Sie hörte, wie Kalan den Atem anhielt und spürte die Anspannung in seinem Arm. Also wusste er etwas oder vermutete es. Malian wartete und zählte die Fliesen auf dem Boden. Dabei achtete sie darauf, dass ihr Atem gleichmäßig blieb, um ihre Ungeduld zu verbergen. Sie spürte mehr, dass er ihr den Kopf zuwandte, als dass sie es sah. Doch sie blickte weiter nach unten. » Was, wenn es zwölf Häuser gäbe und nicht neun? « , sagte er.
    Sie riss ihren Kopf hoch. Die Bewegung war zu abrupt, und der Schmerz war groß. Als sie sprechen konnte, stieß sie die Worte geradezu hervor. » Aber es hat immer nur neun gegeben! «
    Kalan sah unglücklich aus. » Man hat mir gesagt, dass nicht alle Derai den Verlockungen der Macht des Schwarms widerstanden, als er sich erhob und die Himmel verdunkelte. « Er sprach, als ob er für die Wahrheit seiner Worte keine Verantwortung übernehmen wollte. » Man sagt, dass es sogar unter unseren Völkern jene gab, die nach der lichtlosen Finsternis suchten und sich ihr verschrieben – drei der früher zwölf Häuser der Derai, um genau zu sein. Sie wurden zu Ausgeburten der Finsternis, zu Schattenkriegern, die als Vorhut des Schwarms dienten. Nur wenige wissen jetzt noch davon, und sie sind durch viele Eide zum Schweigen verpflichtet. Doch Bruder Belan war in seinen letzten Jahren oft nicht mehr Herr seiner Sinne und erzählte mir viele Dinge, die er nicht hätte aussprechen sollen – unter anderem das hier. Er zeigte mir sogar die geheimen Schriftrollen, auf denen die Geschichte aufgezeichnet ist. Man nennt es die Große Entzweiung, und dagegen, so sagte er, sei selbst der Verrat nichts. «
    Malian starrte geradeaus, aber ihre Augen sahen nichts. » Wie kann das nur wahr sein? « , flüsterte sie. » Wenn es stimmt, dann hätte man mich als Erbin doch davon sicherlich unterrichtet? «
    Kalan schüttelte den Kopf. » Das ist verboten « , antwortete er. » Das Wissen ist nur den höchsten Rängen der Priesterschaft vorbehalten und möglicherweise den Grafen. Obwohl ich heutzutage auch darauf nicht wetten würde. Bruder Belan sagte, dass die Wahrheit, wenn sie weit verbreitet wäre, die Derai-Allianz zerstören würde. Wie könnten wir weiterhin den Wall verteidigen und daran glauben, dass wir schon immer dem Schwarm der Finsternis die Stirn geboten haben, wenn wir wüssten, dass Derai auch seine führenden Diener sind? Wie könnten wir weiterhin daran glauben, dass wir die Verteidiger der Neun sind? «
    » Ja, wie nur « , sagte Malian. Ihre Stimme klang hohl. Sie musterte Kalan. » Und du glaubst, dass das alles wirklich wahr ist? «
    Er zuckte mit den Schultern und schaute weg. » Bruder Belan war einer unserer größten Gelehrten. Und ich habe die Aufzeichnungen gesehen. Außerdem sah ich die Angreifer, als sie gestern Abend das Tempelviertel betraten. « Der Seitenblick, den er Malian zuwarf, war schnell und unsicher. » Zunächst fiel mir nicht ein, wo ich die Darstellungen ihrer Rüstung schon einmal gesehen hatte, doch jetzt erinnere ich mich. Sie sahen wie wir aus; nicht, wie wir uns jetzt ausrüsten, aber wie wir es einst taten. «
    » Sie hätten unsere eigenen Derai-Feinde aus dem Haus der Unnachgiebigkeit oder dem Haus der Sterne sein können « , sagte sie langsam. Doch sie dachte an die Werjäger und die Finsterschwinge und glaubte es selbst nicht.
    » Nein « , sagte Kalan. » Ich spürte die Verdorbenheit des Schwarms, die Mischung aus

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