Die Erbin der Nacht: Roman (German Edition)
Wird der Mond denn abnehmen? « , fragte Kalan. » Ich meine, ist das hier kein Traum? «
» Ist es einer? « , antwortete die Frau. » Und falls es einer ist, ist es unmöglich, dass Träume ihre eigene Zeit und ihre eigenen Jahreszeiten haben? « Sie bewegte sich. Malian bemerkte ein silbernes Glitzern unter dem schwarzen Umhang.
» Für uns fühlt es sich wie ein Traum an « , sagte Malian. » Doch wenn es ein Traum ist, seid Ihr dann in unserem Traum oder sind wir in Eurem? «
Die Frau lächelte. » Gute Frage, meine Liebe « , sagte sie. » Wie du gerade entdeckst, führt das Tor der Träume zu vielen Orten und in mehr als nur eine Richtung. Doch ihr beide habt die Kraft, hindurchzugehen und den Weg zu meinem Lagerfeuer zu finden. Ich bin beeindruckt. «
» Wer seid Ihr? « , fragte Kalan geradeheraus. » Woher wissen wir, dass das, was Ihr uns sagt, wahr ist? «
Sie grinste ihn über das Feuer hinweg an. » Das könnt ihr nicht wissen « , sagte sie. » Weder, wer ich bin, noch, ob ich die Wahrheit sage. « Ihr Lächeln wurde noch breiter, als Kalan und Malian blinzelten. » Nicht mit Sicherheit. Doch ihr könnt lernen, Euren Herzen zu vertrauen, um die Wahrheit zu erkennen und die Unwahrheit herauszufiltern. « Sie hielt inne. » Außerdem kennst du meinen Namen, Kalan vom Haus des Blutes, genau, wie ich deinen kenne – und weiß, dass du eine wahrhaftige Seele hast. «
Kalan errötete und sah gleichzeitig misstrauisch aus. » Woher wisst Ihr, dass ich aus dem Haus des Blutes stamme? « , fragte er. » Oder überhaupt etwas über mich? «
» Mein lieber Junge « , antwortete die Frau, » es ist offensichtlich, so offensichtlich wie die Tatsache, dass du hier mit einem Kind des Hauses der Nacht – ebenfalls dem Blut angehörend, wenn ich mich nicht irre – an meinem Feuer sitzt. « Sie zog eine schmale schwarze Augenbraue hoch und schaute in Malians Richtung, als ob sie sagen wollte: Habe ich nicht recht?
» Ja « , beantwortete Malian die unausgesprochene Frage. Sie starrte die Frau an und runzelte die Stirn. » Ich kenne Eure Stimme « , sagte sie langsam, » aber dennoch glaube ich nicht, dass wir uns schon einmal begegnet sind. « Dann rief sie aus: » Es war Eure Stimme, die ich hörte, kurz bevor das Feuer mich vor der Finsterschwinge rettete! Ihr wart es, die mir sagte, ich solle durchhalten! «
» Ja « , antwortete die Frau ernst. » Du warst mir sehr nah, deshalb konnte ich direkt zu dir sprechen, und du konntest mich hören. «
Malian schauderte und fragte sich, ob das daher rührte, dass sie dem Tod nahe gewesen war. Das Mitleid in den Augen der Frau bestätigte diesen Verdacht. » Ihr wart das auch später « , sagte sie langsam und verdrängte das Entsetzen über den Angriff der Finsterschwinge. » In der Dunkelheit, als das Irrlicht mich beinahe eingeholt hätte. Ihr sagtet mir, ich solle es nicht berühren. «
Die Frau nickte. » Der Schwebezustand, in dem du dich befandest, lag auf einer Ebene zwischen den Welten und der Zeit. Diese Ebene ist mit diesem Ort verbunden, der ebenfalls jenseits des Tors der Träume liegt. Also war es ein Leichtes für mich, dich zu erreichen, was unter den Umständen auch gut so war. «
Malian erinnerte sich an das blasse Feuer, das ihr eine Falle stellen wollte, und musste ihr zustimmen. Doch das verriet ihr immer noch nicht, wer diese Frau war oder weshalb sie ihr geholfen hatte. Sie musterte das Gesicht auf der anderen Seite des Feuerscheins. » Ihr sagtet, dass wir Euren Namen kennen, aber nicht Euch selbst. Und auch, wenn Ihr bereits zwei Mal zu mir gesprochen habt, bin ich immer noch davon überzeugt, dass wir uns noch nie begegnet sind. «
» Ja und nein « , antwortete die Frau und lächelte Malian an. » Nein und ja. Es ist richtig, dass wir uns noch nie begegnet sind, doch ich bin euch nicht unbekannt. Und ich habe auf dich, meine Liebe, schon sehr lange Zeit gewartet. « Sie schloss Kalan mit in ihr Lächeln ein. Ihr Ausdruck wurde von einem Hauch Melancholie getrübt. » Dich habe ich allerdings nicht erwartet. Und ebenfalls im Haus des Blutes geboren … also das ist ein Rätsel. Allerdings hatte man mir versprochen, dass sie nicht alleine sein würde « , überlegte sie.
Malians Hände ballten sich zu Fäusten. » Wer hat das versprochen? « , verlangte sie zu wissen. » Warum habt Ihr auf mich gewartet? Wer seid Ihr? «
Die Frau mit dem Umhang hob ein Stöckchen auf und stocherte damit in dem Feuer herum. Ein Funkenregen stob hoch,
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