Die Erbin der Nacht: Roman (German Edition)
heranwagt. Sobald Ihr sicher seid, zerrt sie von der Tür weg und lasst sie liegen. Da sie allerdings dem Schwarm der Finsternis angehören, solltet Ihr sie dorthin legen, wo wir sie im Auge behalten können. «
» Ansonsten warten wir und halten weiterhin Wache. Ist das alles? « Sarus stand auf seinem Posten an der kleineren Tür.
» Wie bisher « , stimmte Asantir zu. » Bis unsere Freunde von dort, wo sie sind, zurückkehren. « Sie sah sich die dezimierte Anzahl ihrer Begleiter an und kniff die Augen zusammen, als sie die goldenen Staubkörnchen bemerkte, die immer noch in der Luft schimmerten. » Hoffen wir, dass sie nicht zu lange brauchen. «
11 Das Tor der Träume
Malian träumte wieder. Doch dieses Mal handelte ihr Traum nicht von Finsternis, sondern von Licht. Licht brannte um sie herum, als ob sie im Herzen eines Feuers stünde. Sie spürte aber weder Hitze, noch wurde sie von den Flammen verschlungen. Stimmen murmelten – doch genau wie bei den Rufen der Jäger in der Alten Burg konnte Malian sich keinen Reim darauf machen: Die Stimmen schwebten gerade jenseits der Grenze des Verstehens.
Die Flammen wanden sich in einer Spirale aufwärts, wirbelten als weißgoldene Feuersbrunst um sie herum und trennten sich dann, um in ihrer Mitte einen freien Platz zu schaffen. Dieser war wie ein Fenster, durch das Malian in das Zimmer auf der anderen Seite hindurchschauen konnte. Ein Rosenmotiv wiederholte sich auf den Wandbehängen und anderen Einrichtungsgegenständen. Vor dem Feuer, das leise hinter einem kleinen Gitter brannte, stand ein tiefer Ohrensessel. Darin faulenzte ein Mann. Seine langen Beine waren in Richtung des Feuers ausgestreckt. Seine Kleidung war so golden wie sein Haar. Er las ein dünnes Buch mit einem zerschlissenen Einband. » Haimyr « , sagte Malian und beugte sich vor. Doch aus dem Augenwinkel bemerkte sie eine schattenhafte Bewegung und lehnte sich wieder zurück.
Haimyr sah von dem Buch auf. Malian erkannte, dass der Schatten wohl jemand war, der den Raum, in dem Haimyr saß, betreten hatte. » Nhairin « , sagte er mit seiner goldenen Stimme. Malian konnte die Hofmarschallin nicht sehen. Doch sie konnte beide so deutlich hören, als ob sie sich ebenfalls in dem Zimmer befände.
» Was macht Ihr hier? « , fragte Nhairin in scharfem Ton.
Haimyr lächelte milde als Antwort. » Wieso – ich lese, meine liebe Nhairin. « Malian erinnerte sich, dass es ihm immer Vergnügen bereitete, die ernstere und aufrechtere Hofmarschallin zu necken. » Es ist schon in Ordnung. Diesmal habe ich um Erlaubnis gebeten – sowohl, hier sein zu dürfen, als auch das Buch lesen zu dürfen. Doch ich könnte Euch dasselbe fragen. « Er legte den Band zur Seite und setzte sich ein wenig aufrechter in den Sessel. » Wieso seid Ihr hier? «
Nhairins Stimme klang unruhig. » Natürlich suche ich nach Euch. Es ist so lange her – der halbe Tag ist vergangen, und wir haben schon späten Abend und immer noch nichts gehört. Ich habe außerdem über dieses Feuer nachgedacht. Vielleicht ist es möglich, dass man durch es hindurchsehen kann, um so zu erfahren, was geschieht. « Der Schatten war ebenso unruhig wie die Stimme und bewegte sich am Rande von Malians Sichtfeld.
» Die Alte Burg ist ein weitläufiger Ort. Wir müssen uns darauf vorbereiten, dass es einige Zeit dauern wird. Doch was das Feuer angeht … « Die Worte des Barden kamen wohlüberlegt. Er schaute in die Flammen – und es schien, als ob er Malian direkt durch ihr Fenster hindurch anschaute. Seine Augen flackerten golden und funkelnd wie das Feuer selbst. Sie war sicher, dass er sie sehen konnte. Sie machte einen Schritt auf ihn zu, doch bevor sie sprechen konnte, beugte er sich vor, nahm ein Holzscheit und warf es ins Feuer. Ein heißer Funkenregen stob auf und in Malians Gesicht. Das Feuer flackerte auf, leckte über das Fenster, und Haimyr und der Rosenraum verschwanden. Das Letzte, was Malian hörte, war seine seidenweiche Stimme. » Ihr wisst, dass es Euch letztes Mal beinahe hineingezogen hätte. Das Beste ist, sich davon fernzuhalten, sonst öffnen wir uns Kräften, mit denen wir nicht umgehen können. «
» Welche Kräfte? « , fragte sich Malian, nachdem das Fenster verschwunden war. » Konnte er nicht erkennen, dass ich es bin? « Sie wollte versuchen, das Fenster im Feuer wieder zu öffnen. Doch etwas anderes zerrte an ihrer Aufmerksamkeit und war so beharrlich wie eine Flut. » Was? « , fragte sie barsch.
Das Licht in ihrem
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