Die Erbin der Teufelsbibel Historischer Roman
Gelehrten gab, würde er die ganze Welt in Flammen setzen. Niemand wusste das so gut wie der Teufel.
Sieben schwarze Mönche hatten dieses Buch bewacht. Es mussten immer sieben sein, damit der Zirkel vollkommen war. Jahrhundertelang hatte dies gegolten. Doch eines Tages war ein Unwürdiger in diesen Zirkel geraten, einer, der schwach war, einer, der statt Verstand nur Vertrauen besaß, einer, der nicht misstraute, sondern liebte … einer, der an seiner Aufgabe zerbrach.
»Ich«, schluchzte der alte Einsiedler. »Ich war dieser Mann.«
Petr – Bruder Petr, die Reste der Mönchskutte hingen immer noch an dem ausgemergelten Leib –, hatte sich auf die Jagd nach einer unschuldigen Seele hetzen lassen, hatte gemordet im Namen des Buches … und das Buch hatte ihm alles genommen, was er geliebt hatte. Die Sünde des Mönchs, der damals den Teufel um Hilfe gebeten hatte, war durch die Jahrhunderte auf Petr gekommen; der Erschaffer des Buches hatte damals auch gemordet. Petr hatte das Buch bewacht, und es hatte ihn berührt … beschmutzt.
»Es beschmutzt alles, was einmal rein war«, flüsterte er.
Durch Petrs Schuld war der Zirkel zerbrochen. Er war geflohen. Er hatte zugelassen, dass die Bosheit des Buches in die Welt dringen konnte, und das war das Ergebnis: ein Krieg, in dem sich das ganze Reich zerfleischte, in dem Christen gegen Christen standen, ein Armageddon auf Raten, ein langes, grässliches Sterben, nicht begleitet von den Posaunen des Jüngsten Gerichts, sondern vom Trommelschlag der marschierenden Heere und vom Flehen der Gemarterten um Barmherzigkeit.
»Warum hast du das Buch nicht verbrannt?«, fragte der Junge.
»Man kann nicht gegen das Vermächtnis des Teufels kämpfen«, erwiderte Petr. Er brauchte viele Anläufe dafür, es endlich herauszubringen.
»Man kann auch nicht immer wegrennen«, sagte der Junge. »Irgendwann geht dir die Luft aus, und dann holt es dich ein. Wenn du eine Maus in der Scheune findest und in eine Ecke jagst, dreht selbst sie sich um und kämpft.«
Petr schüttelte den Kopf.
»Wo ist das Buch?«
Petr schüttelte erneut den Kopf.
Der Junge betrachtete ihn eine lange Weile. Ein überraschendes Gefühl stieg in ihm auf. Es war Zuneigung. Es war der Wunsch, den riesenhaft gebauten alten Mann zu beschützen. Er, der kleine Kerl, wollte den alten Einsiedler behüten, der mehr als doppelt so groß war wie er? Aber hatte er es nicht auch immer geschafft, die Schafe zu beschützen, wenigstens bis die goldenen Reiter gekommen waren, und die waren ein paar Dutzend gewesen und er ganz allein?
»Ich finde das Buch«, hörte er sich sagen. »Ich finde es, und dann zerstöre ich es. Dann musst du dich nicht mehr ängstigen, Väterchen!«
»Niemand kann es zerstören. Es wird stattdessen ein Opfer verlangen.«
»Dann werde ich das Opfer bringen.«
»Es wird dich vernichten.«
»Wer sagt denn, dass ich das Opfer sein muss?«, fragte der Junge und lachte. »Sorg dich nicht, Väterchen. Sag mir nur, wo das Buch ist und wie es heißt.«
Der Einsiedler schüttelte den Kopf. »W… w… gnnnnh … w… wir … müssen schlafen«, krächzte er und legte sich neben dem Feuer auf den Boden.
Auch in dieser Nacht schlief der Junge schlecht, doch eswaren keine Angstträume, die ihn wach hielten. Der alte Mann stöhnte und ächzte im Schlaf. Er schien an der Grenze zwischen Schlaf und Wachen dahinzutaumeln. Seine riesigen Pranken zuckten. Der Junge brachte seinen Mund ganz vorsichtig an das Ohr des Alten.
»Wie heißt das Buch?«, flüsterte er.
Er nickte, als der Name sich den zitternden Lippen entrang. Er würde den Namen nicht vergessen. Und wenn er vor dem Scheiterhaufen stand, in dessen Flammen das Buch verzehrt wurde, würde er sagen: »Siehst du, Väterchen, jetzt ist alle Angst vorbei. Ich habe die Teufelsbibel verbrannt.«
Er schlief ein, zum ersten Mal seit seiner Flucht aus dem Bauernhof mit dem Gefühl, dass die Welt sich weiterdrehte; und zum ersten Mal in seinem Leben mit der Ahnung, dass auch eine Existenz wie die seine einen Sinn hatte.
Ein paar Tage später starben seine Träume unter den Knüppeln der Soldaten.
1. Buch
Götterdämmerung
Dezember 1647
Wir müssen uns mit aller Kraft bemühen,
uns selbst heilen zu können.
Marcus Tullius Cicero, Tuskulanische Gespräche
1.
Er hatte gesündigt … o Gott im Himmel, er hatte gesündigt. Er hatte gedacht, seine Tat diene einem guten Zweck, aber am Ende des Tages war sie doch nur eines gewesen: eine schreckliche,
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