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Die Erbin der Teufelsbibel Historischer Roman

Titel: Die Erbin der Teufelsbibel Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Duebell
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gleiche Litanei wie vorhin. Betäubt erkannte Alexandra, dass nur wenige Augenblicke vergangen waren seit dem Zeitpunkt, als sie die Klinge des Skalpells angesetzt und sich im letzten Moment dazu entschieden hatte, Lýdies Arm retten zu wollen.
    »Wir müssen den Arm einbandagieren. Die Bandage darf nicht zu stramm sitzen, sodass die Tuchrollen den Eiter heraussaugen können. Wir müssen sie ein paar Mal pro Tag wechseln. Auf die erste Lage streichen wir die Spinnweben, und die zweite tränken wir mit der Paré-Mischung, damit sie in die Haut einwirken kann. Gott sei Dank, dass die Kleine nicht aufgewacht ist.« Sie beobachtete Wenzel, der Lýdie hatte zurücksinken lassen und nun ihren Anweisungen folgte, während sie dem Mädchen über das schweißnasse Haar strich. Ihr Finger kroch zu Lýdies Halsschlagader. Der Puls flatterte. Der Kampf um ihr Leben war noch nicht überstanden; aber die erste Schlacht war geschlagen, und Alexandra hatte sie nicht verloren. Spontan beugte sie sich nach vorn und gab Wenzel ebenfalls einen Kuss.
    »Ist mir lieber als die Ohrfeige«, sagte Wenzel und schenkte ihr ein Lächeln, ohne in seiner Arbeit innezuhalten.
    Und in diesem Augenblick wollte sie Wenzel alles erzählen. Die Wahrheit über Miku … über sein Leben, über sein Sterben … und über seinen Vater. Sie holte Atem. Wenzels Blicke irrten ab. Ihre eigenen Blicke folgten ihnen.
    Karina stand in der Tür, gestützt von Melchior. Sie war grau im Gesicht.
    »Ist sie … ist sie …«, stammelte sie.
    »Ich konnte sie nicht mehr zurückhalten«, sagte Melchior. Auch er war totenbleich. »Wir haben kein Schreien gehört. Alexandra, sag mir … ist Lýdie …«
    »Sie lebt«, hörte Alexandra sich sagen.
    Karina schlurfte heran und stierte den einbandagierten Arm an. An den ersten Stellen drangen Blut und Flüssigkeit durch den Verband.
    »Du hast …«, stotterte sie. »Warum hast du … du hast nicht …«
    »Nein.«
    Ihre Blicke trafen sich. Karina blickte sofort wieder zu Boden. Und Alexandra erkannte, dass, ob Lýdie nun leben oder sterben würde, etwas zerbrochen war. Starb die Kleine, würde es auf ewig Alexandras Schuld sein. Lebte sie, würde Karina sich daran erinnern, dass sie versucht hatte, Alexandra aufzuhalten, und die niemals beantwortbare Frage würde im Raum stehen, ob die mütterliche Entscheidung die Tochter nicht das Leben gekostet hätte und ob sie nur gerettet worden war, weil eine andere Frau die Entscheidung der Mutter nicht beachtet hatte. Es stimmte, was Barbora und auf seine Weise auch Wenzel gesagt hatten: Am Ende ist der Arzt immer allein .
    Karina fiel neben Lýdie auf die Knie und strich ihr über das Haar. Wenzel stand auf und trat zurück. Er blickte Alexandra in die Augen und setzte an, um etwas zu sagen, undihr fiel ein, was sie ihm beinahe verraten hätte. Plötzlich wurde es ihr zu viel. Sie wirbelte herum und rannte aus dem Raum, polterte die Stufen hinab, sah in ein halbes Dutzend Augenpaare unten an der Treppe, sah Andreas’ Gesicht aschfahl werden. Er warf sich herum und befreite sich mit einer Grobheit, die ihm selbst vermutlich nicht bewusst war, aus dem Griff von Bruder Cestmir, sodass dieser gegen die Wand flog, und rannte die Treppe hinauf, an Alexandra vorbei. Alexandra stolperte zwischen den Dienstboten hindurch zur Eingangstür. Als sie draußen stand und die Kälte über sie herfiel, begann sie zu schlottern. Sie schlang die Arme um den Oberkörper. Von allen intakten Kirchtürmen Würzburgs drang jetzt das Dröhnen der Kirchenglocken, die das Ende der Heiligen Nacht und den Anbruch des Weihnachtsfestes verkündeten. Vor ihren Augen drehte sich alles.
    Jemand zupfte sie an ihrem Kleid. Es war das kleine Mädchen, die Tochter einer der Hausangestellten.
    »Bist du ein Engel?«, fragte das Kind.
    »Wieso fragst du das?«
    »Weil es heißt, dass du Lýdie gerettet hast.«
    »Ich bin kein Engel.«
    »Warum hat der Herr so geschrien?«
    »Weil er Angst hatte, ich würde Lýdie wehtun.«
    »Hast du ihr wehgetan?«
    Alexandra hatte das Gefühl, das Gespräch zu träumen, aber die Kälte und die Kirchenglocken und ihre eigene elende Verzweiflung sagten ihr, dass dies die Wirklichkeit war.
    »Ja. Manchmal muss man wehtun, wenn man heilen will.«
    »Wäre sie sonst gestorben?«
    »Ja.«
    »Und jetzt stirbt sie nicht mehr?«
    »Ich hoffe es.«
    »Aber du weißt es nicht.«
    »Nein.«
    »Das ist wie mit einem Gebet. Du weißt nicht, ob der liebe Gott es hört, aber du hoffst es so

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