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Die Erbin der Teufelsbibel Historischer Roman

Titel: Die Erbin der Teufelsbibel Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Duebell
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stramm stehen. Es war die übliche Prozedur, wenn man Männer aneinanderkettete; sollten sie versuchen, sich alle gemeinsam vorwärtszubewegen, würden sie stolpern, fallen, sich gegenseitig erdrosseln. Die Halseisen wurden angelegt. Es war ein elender Anblick: die fahlen Gesichter seiner Männer, die aufgerissenen Augen, die nach Luft schnappenden Münder, darunter die groben, rostigen Eisenringe.
    Der Profos kam zu Samuel und schob ihn mit dem Ende seines Stocks vor sich her in eine Ecke des Raumes. Samuel hörte die Kette klirren, als seine Männer versuchten, sich gemeinsam umzuwenden, um zu sehen, was mit ihm geschah. Noch größere Kälte erfasste ihn, als er verstand. Der Profos hatte den Befehl, ihn, Samuel, hier vor den Augen seiner Männer zu Tode zu prügeln, und damit die Verdammten ihrem ehemaligen Anführer nicht noch beisprangen, hatte man sie zusammengekettet. Der Profos hob den Stock, und einen halben Augenblick lang stritten sich in Samuel die Befürchtung, dass man seine Männer würde büßen lassen, wenn er sich wehrte, und der letzte Rest von Ehre, der gebot, sich nicht einfach totschlagen zu lassen wie ein Hund. Sein bisschen Ehrgefühl gewann; er hob die Fäuste.
    »Stell dich dahin, Brahe, du Arschloch«, sagte der Profos. »Sonst reicht die Kette nicht.«
    Samuel folgte dem Stock mit den Augen; er zeigte auf einen Ring in einem Deckenbalken. Vielleicht war hier einmal eine Lampe angebracht gewesen, als das Haus noch ein Wohnhaus gewesen war. Jetzt wurde eine Kette hindurchgezogen, nachdem einer der Männer des Profos auf eine umgedrehte Kiste gestiegen war, um hinaufreichen zu können. Das Halseisen klickte um Samuels Hals zu. Es war schwer und eiskalt, und er bildete sich ein, dass es ihm die Luft abschnürte. Dann zog jemand an der Kette, bis sie so stramm war, dass er sich fast auf die Zehen stellen musste, wenn er nicht erdrosselt werden wollte, und er musste alle Kräfte zusammennehmen, um nicht in das panikerfüllte Gekeuche eines Erstickenden zu verfallen. Tatsächlich bekam er noch genügend Luft – er musste es sich nur vorsagen. Zugleich spannten sich all seine Bauchmuskeln an. Gleich würden sie anfangen, auf ihn einzuschlagen und zu treten …
    Der Profos machte einen Schritt zurück.
    »Du hast das alles nicht verdient, Brahe«, sagte er. »Dir sollte man einfach die Knochen brechen und dich am Straßenrand verrecken lassen.«
    Samuel gab ihm keine Antwort. Der Profos zuckte mit den Schultern.
    »Raus mit euch«, sagte er zu seinen Männern.
    Die Soldaten marschierten zu Samuels größter Überraschung hinaus. Sie wurde noch gesteigert, als sich die Tür kurz danach erneut öffnete und die unbekannte Frau hereinließ, die sie vor dem Galgen gerettet hatte. Samuel stierte sie an. Sie musterte die aneinandergeketteten Männer und ihren ehemaligen Anführer in seiner Ecke, dann ballte sie die Rechte zur Faust und legte sie auf die Brust.
    »Gott mit euch, Småländer«, sagte sie auf Schwedisch,und es gab Samuel einen so unerwarteten Stich, dass er erst merkte, wie ihm die Tränen in die Augen schossen, als ihr Anblick vor ihm verschwamm.

9.
    Ein geringerer Mann als Wenzel hätte vermutlich gesagt: Aber du wolltest doch …! oder Nein, du machst einen Fehler…! oder Hör auf! Vielleicht wäre er Alexandra sogar in den Arm gefallen. Aber er fragte nicht einmal: Weißt du wirklich, was du da tust? Alles, was Wenzel tat, war, seine Stellung zu wechseln, Lýdies geschwollenes Handgelenk festzuhalten, den Oberkörper der Bewusstlosen aus den Kissen hochzuheben und an seine Brust zu drücken und zuzusehen, dass ihr kranker Arm vollkommen ruhig blieb, während sie zu stöhnen und zu zucken begann und die Klinge die Haut durchstieß. Alexandra war froh, dass er die Frage nicht stellte; sie hätte sie nicht beantworten können.
    Dann stieg der Geruch in ihre Nase, und sie sah statt des Blutes das wässrige Sekret, das aus der Wunde trat. Plötzlich hatte sie das Gefühl, dass das Skalpell von einer Hand festgehalten wurde, die an einem sechs Fuß langen Arm hing, und die Klinge und Lýdies Arm entfernten sich immer weiter von ihr, bis sie dachte, sie durch eine lange Röhre zu sehen, an deren Rändern nicht einfach Schwärze, sondern simples Nichts war. Sie spürte, wie sich ihr Körper mit einem kalten Schweißfilm überzog. Das Skalpell war ein Eiszapfen in ihrer Hand.
    »Ich kann das nicht«, wiederholte sie mit tauben Lippen.
    »Du hast schon angefangen«, sagte Wenzel.
    »Ich kann

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