Die Erbin der Teufelsbibel Historischer Roman
klang ihr fremd in den Ohren.
»Am Tag danach erhebe ich Anklage. Mit der Kleinen werde ich beginnen, sie wird mir die Aussagen dafür liefern,die den Rest deiner Sippe ins Feuer bringen. Oder glaubst du nicht, dass sie alle der Hexerei bezichtigt, wenn sie erst einmal aufgezogen worden ist und die Vesper über in der Peinkammer hängen gelassen wurde mit ausgerenkten Schultergelenken und einem Gewicht an den Füßen – nur, damit der Inquisitor sich gnädig zeigt und sie herunterlässt? Die Loyalität endet dort, wo der Schmerz unerträglich wird.«
»Hör dich nur an«, krächzte Alexandra und ballte die Fäuste, dass sich ihre Arme verkrampften. »Du wirst der Teufelsbibel nicht einmal einen Herzschlag lang Widerstand leisten können.«
»Natürlich wird das Kind für sein Geständnis brennen«, fuhr er fort, als hätte sie nichts gesagt. »Vielleicht ist es ja möglich, ihm heimlich einen Pulverbeutel um den Hals zu hängen, sodass die Explosion ihm das Herz zerreißt, bevor das Feuer es ganz bei lebendigem Leib verzehrt hat. Für ihre Mutter und ihren Vater wird es dennoch die Hölle sein, ihr beim Sterben zuzusehen. Und danach …«
»Die Hölle«, schrie Alexandra, »ist das, was dich ausgespien hat, weil du selbst dafür zu dreckig bist!«
»Die Hölle«, flüsterte Pater Silvicola, »ist das, was seit fünfzig Jahren über alle Unschuldigen gekommen ist, weil deine Sippe die Teufelsbibel beschützt hat.«
»Ich werde dir die Teufelsbibel nicht ausliefern!«
Er lächelte. »O doch, das wirst du. Und soll ich dir sagen, weshalb ich mir so sicher bin? Nicht deiner Familie wegen. Oh, du würdest alles dafür tun, sie zu beschützen, obwohl der eine deiner Brüder deine Berufung als Heilerin verachtet, der andere vor seiner Familie davonläuft, obwohl deine Mutter dich manipuliert, wenn sie es für richtig hält, obwohl deine Schwägerin dich nie wieder unvoreingenommen ansehen wird, weil du dich gegen sie gestellt hast bei der Heilung ihres Kindes und weil sie fürchtet, du wirst ihre Liebe zu deinem zweiten Bruder ausplaudern, und obwohl deinekleine Nichte in ein paar Jahren nicht mehr daran denken wird, dass du ihr Leben gerettet hast, sondern nur, dass sie dir die hässlichen Narben auf ihrem Arm verdankt, derentwegen sie niemals mehr ohne lange Ärmel unter die Leute gehen wird. Nein, du wirst es tun, weil du weißt …«, er hob die Hände vor ihr Gesicht, als wolle er ihr etwas zeigen, das er darin hielt, und unwillkürlich starrte sie in seine leeren Handflächen hinein, sah, wie seine Finger sich krümmten, wie er zerquetschte, was er vermeintlich darin barg, »… dass ich der einzige Mensch bin, der die Teufelsbibel tatsächlich vernichten wird, und damit wird die Welt geheilt werden. Verstehst du dich nicht als Heilerin?« Seine Fäuste öffneten sich wieder. Die Fingernägel hatten blutunterlaufene Halbmonde in seine Handflächen gebohrt. »Wenn ja, dann musst du sehen, dass auch ich ein Heiler bin, und du wirst tun, was ich verlange.«
»Du bist kein Heiler«, spuckte Alexandra. »Heiler arbeiten nicht mit Heimtücke und Schmerz.«
»Hättest du dem Kind den Arm abgenommen, wäre ihr mehr Schmerz erspart geblieben als bei dem, was du getan hast, und das Risiko eines Fehlschlags bedeutend geringer.«
»Ich wollte sie retten!«, rief Alexandra. »An einem Stück!«
»Vielleicht. Aber hauptsächlich wolltest du beweisen, dass du in der Lage bist, das Unmögliche zu schaffen und das Misstrauen deiner Familie Lügen zu strafen.«
»Das ist nicht wahr!«
»Schwöre mir beim Leben der Kleinen, dass es nicht wahr ist.«
Alexandra schnaubte verächtlich, dann sagte sie: »Ich schwöre beim …«, und brach ab.
Pater Silvicola zuckte mit den Schultern. »Dafür zolle ich dir Respekt. Jeder andere hätte geschworen. Nicht dass es mich von meinem Plan abgebracht hätte.«
»Ich hoffe, ich bin diejenige, die dir das Herz bei lebendigem Leib rausreißt.«
»Wenn ich die Teufelsbibel vernichtet habe, magst du es gern versuchen.«
»Was ist, wenn ich die Teufelsbibel rechtzeitig bringe?«
Der Jesuit zuckte erneut mit den Schultern. »Dann werde ich öffentlich verkünden, dass ich einem Irrtum erlegen bin, und deine Familie ist frei.«
»Und die Mutter Oberin und Sebastian Wilfing werden den Wölfen vorgeworfen.«
»Kümmert es dich wirklich, was mit ihnen geschieht? Selbstverständlich werde ich gestehen, dass ich sie zu ihren Aussagen gezwungen habe.«
»Das wirst du nie im Leben tun. Damit
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