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Die Erbin der Teufelsbibel Historischer Roman

Titel: Die Erbin der Teufelsbibel Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Duebell
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abgesplittert die kleinen Becher waren. Hatte er diesem Schund tatsächlich schon mehrfach sein Leben anvertraut?
    Er hatte eine Mission. War es nicht Leichtsinn, ihre Erfüllung zu gefährden, indem er sich
    … Gott?
    … dem Teufel?
    … dem Zufall anvertraute?
    »Heiliger Vater, der du bist im Himmel …«, wisperte er mit tauben Lippen. Die beiden Fläschchen standen neben den Bechern. Seine Finger zuckten, als ihm der Gedanke kam, wie leicht eines von ihnen in seiner Tasche hätte zerbrechen können. Ein Schnitt mit einer Scherbe hätte genügt … das Gift wäre in die Wunde gesickert …
    War es nicht vermessen, Gott die Entscheidung zuzuschieben?
    War es nicht – seine eigene Entscheidung?
    Er stierte die Becher an. Seine Augen traten hervor, und in seinen Ohren rauschte es. Wie von weit her glaubte er ein entferntes Pochen zu vernehmen, ein kaum vernehmbarer Herzschlag, als schlüge noch ein zweites Herz in seinem Körper, eines, das ihm nicht gehörte, eines, das man weniger mit dem Leib als mit der Seele arbeiten fühlte.
    Erneut streckte er die Hand nach den Bechern aus.
    »Herr, in deine Hände befehle ich meinen Geist«, stöhnte er.
    Er griff nach einem der Becher. Das Gefäß wog schwerer als Blei in seiner Hand und schien riesig zu sein. Er war überzeugt, dass das Gift in genau diesem Becher war.
    Der Anblick des verdorbenen, sündigen Krüppels auf seinem Thron aus Dreck und Gestank in der Klosterruine in Eger stand ihm plötzlich vor Augen. Mit einem Mal wurde ihm klar, welches Risiko er eingegangen war. Caspar war ein offenes Ende gewesen, jemand, der den Weg zu ihm hätte weisen können. Er hatte ihn vernichten müssen – und Narr, der er gewesen war, hatte er um der Reinheit seiner Seele willen vor der Tat zurückgescheut, hatte die Entscheidung Gott überlassen, indem er Caspar zwei identische Fläschchen überreicht hatte, eines voll mit einem wirkungslosen Kräutertrunk, das andere voll mit Tod. Lebte Caspar noch? Stand in diesem Augenblick jemand vor ihm und erpresste ihn, entriss ihm die Wahrheit, den Anfang, die Existenz Giuffrido Silvicolas? Wie hatte er glauben können, Gott zu seinem Handlanger machen zu dürfen?
    Die Becher standen in all ihrer Schäbigkeit auf dem Altar. Sie warteten.
    Pater Giuffrido Silvicola begann haltlos zu zittern.

10.
    Als Pater Silvicola sich dem Krankenlager Sebastian Wilfings näherte, starrte dieser ihn finster an. Der Jesuit fühlte sich seltsam entrückt. Etwas schlug in ihm, pochte in ihm, als spüre er den Schlag eines fremden Herzens, das schwarzes Blut pumpte. Gleichzeitig schärfte es seine Sinne wie eine Droge. Eine Schwester verbeugte sich vor ihm, und er konntewinzige Schmutzflecken an ihrem Nonnenschleier erkennen und kleine Unreinheiten ihrer Haut, als sie sich wieder aufrichtete. Ihre Augen waren grün mit goldenen Flecken, die Falten um die Augenwinkel ließen sie müde wirken, und die senkrechten Linien auf ihrer Oberlippe, die davon zeugten, dass sie die körperliche Entsagung ernst nahm, machten sie alt. Pater Silvicola hatte das Gefühl, dass er sie von jedem Gebrechen heilen und ihre Gedanken lesen könnte, wenn er sie nur berührte.
    »Die Mutter Oberin? Ich hole sie sofort, Pater«, sagte sie, und ihm wurde bewusst, dass er eine Anweisung gegeben haben musste.
    »Was soll die Scheiße, Pater?«, quiekte Sebastian Wilfing. »Es war ganz anders ausgemacht!«
    Es kostete Pater Silvicola einige Anstrengung, seinen Blick auf das alte Wrack in seinen Decken zu fokussieren. Er hatte die abgrundtiefe Verachtung in den Augen von Alexandra und ihrer Mutter gesehen, als sie Sebastian erkannt hatten. Er empfand die gleiche Abneigung gegen den alten Mann. Sie war wie ein Guss Eiswasser und brachte ihn in die Wirklichkeit zurück.
    »Sie haben gesagt, wir machen die Khlesl-Weiber fertig!«
    »Ich habe nichts dergleichen gesagt.«
    »Sie haben gesagt, die ganze Sippe wird brennen!«
    Pater Silvicola beugte sich hinab und brachte sein Gesicht nahe an Sebastians heran. Der alte Mann zuckte unwillkürlich zurück und stieß sich den Hinterkopf an seiner Bettstatt.
    »Ihr Hass macht Sie dumm«, sagte Pater Silvicola. »Ich habe Ihnen erklärt, was geschehen wird. Ich habe Ihnen auch gesagt, dass Alexandra Rytíř nur dann tun wird, was ich verlange, wenn sie glaubt, ihre Familie dadurch retten zu können. Wir durften nichts unternehmen, was sie in dieser Hoffnung schwankend gemacht hätte. Sie werden brennen,verlassen Sie sich darauf. Das Todesurteil

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