Die Erbin der Teufelsbibel Historischer Roman
hässliche Gesicht verzog sich zu einem Grinsen, einem Lachen, einem lauten, hasserfüllten Toben vor Vergnügen, unterbrochen von einem weinerlichen, nachgeäfften »… so schreckliche Dinge … hehehehe … so schreckliche Dinge …. O Gott, so schreckliche Dinge … heheheeeeeee!«. Der Mann auf dem Bett streckte einen Arm aus und zeigte mit einem gekrümmten Zeigefinger auf Agnes, die totenbleich und mit geballten Fäusten dastand. »Deine Schuld!«, schrie er. »O Gott, so schreckliche Dinge …«, er wedelte mit den Armen und rollte mit den Augen, »deine Schuld … deine Schuld … heheheHEEEEE … brenn, du Hure … brenn, mitsamt deiner verdammten Brut … brenn, damit ich auf deine Asche pissen kann …!«
Alexandra hatte die Stimme sofort erkannt, obwohl Alter und Auszehrung sie heiser gemacht hatten. Es war eine Stimme, die sie überall identifiziert hätte, nur dass sie eigentlich zu einem feisten statt einem abgehärmten Gesicht gehörte …zu dem feisten Gesicht, das in ihrer Erinnerung emporgeschwommen war, als Pater Silvicola den Namen Khlesl so verächtlich ausgesprochen hatte. Sie hätte nicht geglaubt, dass ihr nach den Anschuldigungen vorhin noch kälter werden konnte, doch nun schien das Eis ihren ganzen Körper zu lähmen. Sie war wie erstarrt; und sie erkannte, dass sie bis gerade eben immer noch geglaubt hatte, sie würden sich irgendwie aus dem Netz herauswinden können, das Pater Silvicola für sie geknüpft hatte. Nun aber war dieser letzte Funke an Hoffnung dahin, ausgelöscht von der quietschenden, überschnappenden, kranken Stimme, die schrie: »BRENN, AGNES KHLESL, DEIN FEUER WIRD MEINE SEELE WÄRMEN!«
Pater Silvicolas Augenlider zuckten vor Abscheu. Er trat zu der Trage und drückte den alten Mann darauf erbarmungslos auf seine Decken nieder.
»Das reicht!«, zischte er. Der Alte hob den Kopf erneut und versuchte gegen den Jesuiten anzukämpfen.
»Was sagst du nun, Agnes?«, quiekte er. »Hä, was sagst du nun? Damit hast du nicht gerechnet, was? HahahahAAAAA! Was sagst du nun?«
»Was soll ich schon sagen«, flüsterte Agnes, deren Augen schwarze Kohlen geworden waren. »Oink!«
8.
»Sie ist in Braunau in Böhmen, in dem Benediktinerkloster, das zu Anfang des Krieges geplündert wurde«, sagte Pater Silvicola. »Habe ich recht?«
Alexandra musterte ihn schweigend. Er hatte sie, nachdem Sebastian Wilfing wieder weggebracht worden war (immer noch brüllend vor Vergnügen, ein Mann, dessen Lebenstraum in Erfüllung gegangen war), in einen der anderen Räume befohlen. Es musste ein Zufall sein; Alexandra empfandes dennoch als Hohn, dass der Raum die kleine Kapelle war, die einer der früheren Hausbesitzer hier hatte einbauen lassen. Der Jesuit stand mit dem Rücken zum Kruzifix, und sie sah das Abbild des Gekreuzigten ihm über die Schulter blicken – es war so mitleidlos wie das in der Ägidius-Kirche in Prag, vor dem sie zuerst um Mikus Genesung und dann um die Erlösung seiner kleinen Seele gebetet hatte. Unvermittelt empfand sie Hass auf das ausdruckslose Gesicht, und die gemalten Blutstropfen, die unter der geschnitzten Dornenkrone hervorperlten, widerten sie an. Dieses Monstrum in seiner nichtssagenden Soutane ist überzeugt, dass er Dich zum Gefährten hat , dachte sie. Warum hast Du uns, die wir immer versucht haben, Deinen großen Widersacher zu bekämpfen, verlassen?
»Ja«, sagte sie schließlich.
Pater Silvicola seufzte. Er wandte sich ab und verließ den Raum. Überrascht folgte ihm Alexandra. Ein paar Augenblicke später wurde ihr klar, dass er den Weg zu der Kammer eingeschlagen hatte, in der Lýdie lag. Sie packte ihn am Arm. Er blieb stehen und starrte ihre Hand an. Mit klopfendem Herzen nahm sie sie weg. Er schüttelte den Arm, als habe ihn etwas unsagbar Ekelhaftes berührt.
»Noch eine einzige Lüge, und ich hole das Teufelsgeschöpf dort drin aus seinem Pfuhl und erschlage es vor deinen Augen.«
»Die Teufelsbibel ist in Prag«, sagte sie erschöpft.
»Ich weiß.«
»Sie ist in der Wunderkammer von Kaiser Rudolf.«
»Ich weiß.«
Alexandra holte Atem. »Wir sind unter uns«, sagte sie. »Dir ist völlig klar, dass du uns in der Hand hast. Und mir ist völlig klar, dass das ganze Geschrei über Hexen und Lýdies teuflische Genesung nur dazu gedient hat, uns in deine Gewalt zu bringen. Na gut, das ist dir gelungen, und bevor du Sebastian Wilfing hervorgezaubert hast, hätte ich auch beinahegeglaubt, dass es dir ernst ist damit. Aber wie gesagt –
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