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Die Erbin der Teufelsbibel Historischer Roman

Titel: Die Erbin der Teufelsbibel Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Duebell
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du mich nicht darum bitten wolltest, Lýdie zu retten.«
    Agnes hob den Blick und sah ihrer Tochter in die Augen. Alexandra hatte das Gefühl, durch die Jahre rückwärtszustürzen, bis sie wieder die junge Frau war, die in ihr eigenesVerderben gerannt und nur mit dem Leben davongekommen war, weil es Menschen gegeben hatte, die sich dem größten Schrecken ihres Lebens gestellt hatten in dem festen Glauben, sie, Alexandra, dadurch retten zu können. Ihre Mutter Agnes war einer dieser Menschen gewesen.
    »Ich …«, begann Alexandra.
    »Du kannst deinem Bruder Andreas nicht verzeihen, dass er und seine Familie mit dem Leben davongekommen sind, während deine Familie zerstört wurde. Du kannst ihm so wenig verzeihen wie Kryštof.«
    Es hatte nicht wie ein Vorwurf geklungen. Agnes’ Augen waren sanft. Der Kloß in Alexandras Kehle schmerzte dennoch unerträglich.
    »Das stimmt doch gar nicht …«
    »Aber das ist nicht der springende Punkt. Das Hauptproblem ist, dass du dir selbst nicht verzeihen kannst, Miku nicht gerettet zu haben.«
    »Wie hätte ich denn …? Ich habe doch erst danach …«
    »Mir brauchst du das nicht zu erklären. Erklär es dir selbst.«
    Ein Schluchzen stieg in Alexandras Kehle auf, aber sie unterdrückte es.
    »Alexandra, es hat keinen Sinn, dass du dir selbst Vorwürfe machst, dich nicht eher für die Heilkunde interessiert zu haben. Manche finden ihren Weg im Leben früher, manche später. Es ist nicht dein Fehler, dass du ihn erst erkannt hast, als Miku nicht mehr bei uns war. Und selbst wenn – woher nimmst du die Gewissheit, dass du ihn hättest heilen können?«
    »Du glaubst doch fest daran, dass ich Lýdie helfen kann!«
    »Weil du die Beste bist. Weil es die Aufgabe einer Heilerin ist, zu heilen. Sich selbst zu heilen, ganz nebenbei, aber das sage ich dir ebenso wie alles, was ich vorhin gesagt habe, seit zehn Jahren.«
    »Vielleicht musst du es mir noch mal zehn Jahre lang sagen, dumm, wie ich bin.«
    Agnes lächelte mit neuen Tränen in den Augen. »Du bist nicht dumm, Liebes. Nur so tief verletzt … so tief …«
    »Hör auf damit, Mutter!«
    »Warum stellst du deinen Schmerz über den der anderen? Du kannst heilen! Talente wie dieses sind ein Geschenk für die Menschheit. Du darfst es nicht für dich behalten.«
    »Sag das all den Frauen, die in den ersten Kriegsjahren verbrannt worden sind, weil sie heilen wollten und die anderen sie als Hexen verleumdet haben.«
    »Wir befinden uns nicht mehr in diesen Zeiten.«
    »Neunhundert waren es in Würzburg«, sagte Alexandra. »Neunhundert. Welch ein Wahnsinn! Es waren kleine Kinder darunter! Sie haben sie gefoltert und bei lebendigem Leib verbrannt, während ihre Mütter und Väter vor den Scheiterhaufen stehen und zuschauen mussten!«
    »Alexandra …«
    »Neunhundert, Mutter! Und wie viele Tausend mögen es im ganzen Reich gewesen sein? Was soll das für ein Geschenk an die Menschheit sein, wenn diese hergeht und die Überbringer des Geschenks ermordet?«
    »Darum geht es doch gar nicht, Alexandra.«
    »Nicht, Mutter?« Alexandra atmete schwer. Sie hatte ihre eigene Stimme gellen gehört. Was rede ich da?, fragte sie sich selbst, aber etwas in ihrem Inneren hatte die Kontrolle übernommen, etwas, das sich brüllend vor Wut und Verzweiflung bei der Zumutung wand, dass sie etwas zur Rettung ihrer kleinen Nichte unternehmen sollte, während jede Hoffnung, die Alexandra geblieben war, nur noch in Gebeten an einen tauben Gott bestand.
    »Nein. Es geht darum, dass Andreas’ und Karinas Tochter sterben wird, wenn du ihr nicht hilfst.«
    »Was, wenn ich doch schon früher damit angefangen hätte,mich für die Heilkunde zu interessieren, und auch verbrannt worden wäre? Dann wäre ich heute nicht da, um der Kleinen zu helfen. Ich kann mich nicht erinnern, dass Andreas damals nach Würzburg gegangen wäre und versucht hätte, das Morden zu beenden. Und wir hatten sogar einen Handelsagenten in Würzburg und gute Beziehungen!«
    »Das ist doch lächerlich, Alexandra. Du weißt genau, dass dein Vater, Andrej und Andreas unseren Partner dort samt seiner Familie gerettet haben und dass uns das so viel Bestechungsgelder kostete, wie das gesamte Geschäft im Bistum uns die Jahre zuvor eingebracht hatte.«
    »Und wenn ich ihr nicht helfen kann?«
    Alexandra erinnerte sich an ihre eigene Verzweiflung, mit der sie den behäbigen Arzt bestürmt hatte, damals, vor zehn Jahren: Die Medizin wird doch helfen, nicht wahr? Er wird doch wieder gesund werden,

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