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Die Erbin der Teufelsbibel Historischer Roman

Titel: Die Erbin der Teufelsbibel Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Duebell
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konnte sie es nicht aussprechen. Es tut mir leid, dass ich dir zehn Jahre lang vorgelogen habe, Miku wäre dein Sohn , fügte sie dann in Gedanken an. Ihr war so kalt, dass ihre Zähne aufeinanderschlugen. Beinahe schmerzhaft sehnte sie sich danach, mit dem Vater ihres einzigen Kindes sprechen zu können.
    Agnes hatte ihr einmal erzählt, was ihre Magd ihr für einen Rat gegeben hatte, als es für Agnes darum gegangen war, sich ihrer Liebe zu Cyprian zu stellen oder für immer vor ihr fortzulaufen.
    Vielleicht habt ihr nur eine einzige Stunde miteinander. Manchmal kann man sich an einer einzigen Stunde ein Leben lang festhalten.
    Statt für ihre Mutter war diese Weisheit für Alexandra zur Wirklichkeit geworden. Ihr war klar, dass sie sich immer noch an dieser Stunde festhielt.
    Sie sehnte sich danach, mit Wenzel von Langenfels zu sprechen und ihm die Wahrheit über ihr gemeinsames Kind zu verraten, und wusste gleichzeitig, dass sie es nie würde tun dürfen.

3.
    Als Wenzel von Langenfels durch das Tor trat und in den weiten Innenhof schritt, umfing ihn die Würde des Orts, wie sie es stets tat, und wie stets erfüllte sie ihn mit einer verwirrenden Mischung aus Frieden und Sehnsucht. Frieden, weil er hier seinen Platz gefunden hatte, und Sehnsucht, weil er das Gefühl hatte, dass es einen Platz auf der Welt gab, an den er noch besser passte. Er atmete tief ein und aus, dann marschierte er durch die lückenhafte Allee der Steinfiguren hindurch zum Hauptportal. Die Knechte am Tor hatten auf seine Weisung hin seine Rückkehr nicht angekündigt. Er liebte es, für eine Weile mit sich und den Gefühlen allein zu sein, die ihn stets überwältigten, wenn er hierherkam. Meistens gelang es ihm nicht; man war wachsam in Raigern, und man hatte allen Grund dazu.
    Er verdrehte resigniert die Augen, als das Kirchenportal aufschwang, noch bevor er es hatte erreichen können, undeiner der Mönche herauskam. Der Mönch verbeugte sich strahlend. »Willkommen zurück, ehrwürdiger Vater.«
    Wenzel von Langenfels, seit vier Jahren Probst von Raigern, nickte. »Danke«, sagte er.
    »Willst du dich erfrischen, ehrwürdiger Vater? Die beamteten Brüder stehen bereit, wenn du so weit bist, dass du ihnen berichten kannst.«
    Natürlich standen die beamteten Brüder bereit. Sie standen immer bereit, wenn er zurückkehrte. Er war selbst schuld daran, dass sie so gut Bescheid wussten, wer sich im Umkreis von ein paar Meilen dem Kloster näherte; er hatte ihnen beigebracht, dass es unter den Vögeln, die Gott der Herr erschaffen hatte, auch Brieftauben gab und wie man mit ihnen eine ganze Postenkette auf bauen konnte.
    »Etwas heiße Brühe vielleicht? Ich bin ganz durchgefroren.«
    »In deiner Zelle, ehrwürdiger Vater?«
    »Ins Refektorium, bitte.«
    Seine Antwort enthielt die ungesagte Botschaft, dass er Neuigkeiten hatte, die alle betrafen. Während er sich mit den beamteten Brüdern beriet, würden nach und nach mindestens drei Viertel der Mönche unter irgendeinem Vorwand im Refektorium auftauchen und in Hörweite dort herumlungern. Wenzel hatte nichts dagegen, weil auf diese Weise die Informationen, die er brachte, allen sofort zugänglich wurden und weil es gleichzeitig die Autorität der beamteten Brüder unterstrich, die als Einzige mit ihm am Tisch saßen. Außerdem sorgte es dafür, dass die Neugier der anderen Brüder gestillt war und die Versuchung geringer wurde, das Ohr an die Tür seiner Zelle zu pressen, wenn er den Klosterbeamten etwas mitteilte, das nicht für alle bestimmt war.
    »Betet zum Herrn«, sagte er, als die dampfende Brühe vor ihm stand und die ersten Mönche betont harmlos ins Refektoriumschlenderten, um sich am Lesepult zu schaffen zu machen, die Bodenplatten zu fegen oder sonst etwas zu tun. Das Refektorium pflegte stets der sauberste Raum im ganzen Kloster zu sein, das ohnehin nicht unbedingt ein Opfer der Vernachlässigung war.
    »Der Frieden ist so nahe wie nie zuvor – ebenso wie Armageddon.«
    Die meisten der am Tisch Sitzenden bekreuzigten sich. Aus einer Ecke, aus der imaginäre Spinnweben entfernt wurden, ertönte ein unterdrückter Schreckensschrei.
    »Bist du sicher, ehrwürdiger Vater?«
    Wenzel seufzte. »Dieser Krieg war die schlimmste Katastrophe, die der Christenheit jemals zugestoßen ist«, sagte er. »Dreißig Jahre Tod und Verderben. Ein paar von euch waren noch nicht mal geboren, als er ausbrach.« Zwei der Bodenplattenfeger räusperten sich. »Und ich … ich war ein junger Kerl, der

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