Die Erbin der Teufelsbibel Historischer Roman
Sein Kumpan wirbelte herum. Ein Schatten flog durch die Tür und prallte in ihn hinein. Das zweite Gewehr fiel zu Boden. Der Schatten und der Wächter rollten ineinander verkrallt über die Steinfliesen. Ehe Wenzel etwas unternehmen konnte, rannte Bruder Bonifác los, warf sich auf den Bauch, schlitterte über den Boden und gelangte mit ausgestreckten Händen bei der Muskete an. Er riss sie an sich und rollte sich damit seitwärts, sprang auf die Füße. Der Schatten hatte sich auf den Rücken gerollt, zerrte den Wächter über sich und zog gleichzeitig die Beine an, rammte ihm die Stiefel in den Leib und stieß ihn von sich. Der Mann prallte mit dem Rücken gegen die Wand neben der Tür und taumelte nach vorn. Der Schatten vollführte noch in der Hocke eine Drehung, und die Füße des Wächters wurden hochgerissen; er fiel wie eine Schildkröte auf den Rücken. Der Schatten war über ihm, griff in seine Haare und hämmerte seinen Kopf auf den Boden. Der Wächter streckte sich aus und rührte sich nicht mehr. Der Schatten machte einen Satz, an dessen Ende er bei Bruder Bonifác anlangte, ihm die Muskete aus den Händen riss, anlegte und feuerte. Der erste von Johannes’ Männern, der mit weitem Abstand vor den anderen zur Tür hereingestürmt war, überschlug sich und blieb auf der Türschwelle liegen. Der Pulverdampf hüllte das Geschehen sofort in einen ätzenden Nebel, doch Wenzel konnte sehen, dass der Schatten Bruder Bonifác die leer geschossene Muskete in die Hand drückte und dann das eine Bein des Mannes ergriff, den er soeben erschossen hatte. Plötzlich fand Wenzel sich selbst mitten in der Pulverdampfwolke und sah sich zu, wie er das andere Bein packte.
»Die Waffen!«, schrie er Bruder Bonifác zu. »Nimm die Waffen mit!«
»Und die Bandoliers!«, keuchte der Schatten.
Der Mönch sprang wie ein Hase und sammelte die anderen beiden Musketen ein. Einer der Männer hatte noch eine Pistole im Gürtel – Bonifác brachte sie an sich. Derjenige, den der Stein getroffen hatte, stöhnte und machte eine schwache Bewegung – Bruder Bonifác trat ihm gegen den Kopf, und er lag wieder still. Er riss am Bandolier des Mannes, es löste sich nicht. Bruder Bonifác zog ihm das Messer aus dem Gürtel und trennte den Gurt auf. Dann rannte er neben Wenzel und dem Schatten, die den Erschossenen hinter sich herschleiften, zurück zum Kamin. Es hatte nur ein paar Herzschläge gedauert. Das grün und blau geschlagene Gesicht des Mönchs leuchtete.
»Achtung!«, sagte der Schatten, kniete sich hin, streckte den Arm mit einer Pistole aus und feuerte auf die Tür. Ein Schrei ertönte von dort, dann ein dumpfer Fall. Die neue Pulverdampfwolke verbarg die Sicht auf den Eingang zum Refektorium jetzt vollständig. Der Schatten warf den Sessel um und kauerte sich dahinter zusammen. Er riss die Pulvermaße vom Bandolier des Erschossenen, ohne hinzusehen.
»In den Kamin, ihr alle! Schnell!«, stieß er hervor. »Dort seid ihr vor den Kugeln am sichersten.«
Wenzels Mönche stürzten hinein. Der erste von ihnen bückte sich, um die Leiche des Vergifteten, die sie in den Kamin gelegt hatten, beiseitezuschieben. Wenzel kauerte sich neben dem Schatten hinter den Sessel und riss Bruder Bonifác die Musketen aus den Händen.
»Gib mir das Bandolier, schnell, schnell. Welche Muskete gehört zu diesen Pulvermaßen? Ah, das hier … los, her damit!« Er warf dem Schatten, der seine Pistole nachlud, eine weitere Muskete zu. »Nimm’s. Es gehörte dem hier.« Er wies auf den Erschossenen, dessen Bandolier jetzt leer gepflückt war.
Bruder Bonifác hielt sich an der dritten Waffe fest.
»Das ist ’ne alte Luntenschlossbüchse!«, keuchte der Schatten. »Und die Lunte ist ausgegangen.«
Bruder Bonifác packte den Lauf der Waffe und schwang sie wie einen Knüppel. Der Schatten lächelte. »Na schön. Du kannst mir den Rücken decken, Bonifác.«
»Verlass dich auf mich, Melchior!«
Wenzel und Melchior Khlesl lächelten sich an. Sie nickten einander zu.
»Das hat aber gedauert«, sagte Wenzel.
»Ich wurde aufgehalten«, erwiderte Melchior, richtete sich auf und feuerte auf die Tür. Diesmal schien er nichts getroffen zu haben. Der Pulverdampf reizte in den Lungen und brachte die Ersten zum Husten.
»Was soll der Scheiß?«, ertönte eine Stimme vom Treppenhaus. »Gebt auf, verdammich!«
»Ich hab die Waffen, die die Wachen hatten, zerschlagen«, flüsterte Melchior. »Trotzdem haben die Burschen da draußen immer noch mehr
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