Die Erbin der Teufelsbibel Historischer Roman
hatte, sich nach der verlorenen Pistole bücken, und wie im Traum hob er die Muskete hoch wie einen Speer und schleuderte sie auf ihn …
Es war ein Tanz. Es war ein Gemetzel. Schwarze Kutten schwärmten plötzlich an ihm vorbei und warfen sich den Angreifern entgegen. Schreie ertönten. Ein Pistolenschuss und das schrille Jaulen einer Kugel, die nichts getroffen hatte außer Stein. Der Mann, auf den Wenzel seine leer geschossene Muskete geschleudert hatte, wich aus und fuhr herum, richtete die Pistole mit gebleckten Zähnen auf ihn und verschwand dann unter dem gleichzeitigen Aufprall zweier schwarzer Mönche, die ihn umrissen. Die Pistole schlitterte erneut davon.
Es war ein Tanz … einer der Mönche und einer der Marodeure hatten sich gegenseitig am Hals gepackt und wankten in ihrer tödlichen Umklammerung hin und her wie zu einer unhörbaren Musik. Ein Tanz … jemand rannte auf Wenzel zu, eine Partisane mit abgeschnittener Stange vorgestreckt, und Wenzel sprang mit einer beinahe traumwandlerischen Behändigkeit beiseite, angelte nach einem Fuß in einem aufgeplatzten alten Stiefel, der Angreifer krachte in den umgefallenen Thronsessel hinein, warf sich herum und begann, um sich zu schlagen … Wenzel konnte sehen, dass dem Mann die eigene Waffe durch den Unterkiefer in den Schädel gedrungen war, und noch während er hinsah, hörte das Gezappel auf … ein Tanz, an dem nur einer sich nicht beteiligte …
Der Steinerne Johannes stand am Fenster, die Pistolen erhoben. Seine Augen leuchteten irr. Plötzlich zuckte eine Hand herum, und ein Schuss löste sich, aber irgendwie hatte der Mönch, der in der gegenseitigen Erdrosselung mit seinem Gegner steckte, sich im letzen Moment herumgedreht, unddie Kugel traf den Mann, dessen Hals er umklammert hielt, und dieser prallte gegen ihn und riss sie beide zu Boden. Die zweite Pistole pendelte wie der Kopf einer Schlange hin und her. Johannes’ Blicke trafen die Wenzels, und die Faust mit der Pistole schnappte herum, Johannes’ Mund öffnete sich in einem wilden Schrei …
Bruder Bonifác stand plötzlich zwischen Wenzel und Johannes. Er hatte die Pistole seines ersten Gegners aufgerafft und zielte. »Der Herr erbarme sich deiner!«, schrie er. Beide Schüsse dröhnten gleichzeitig los. Wenzel spürte etwas an sich vorbeifliegen wie eine zornige Hornisse. Johannes stand da und starrte auf seine Hand, in der die rauchenden Trümmer seiner Pistole steckten. Er öffnete die Faust, aber das Holz war gesplittert und ihm durch die gesamte Handfläche gedrungen, als Bonifác’ Kugel sie getroffen hatte; das Wrack der Pistole steckte darin fest und fiel nicht einmal hinunter, als er die Hand schüttelte. Bruder Bonifác versuchte keuchend, die Pistole nachzuladen, erkannte, dass er weder Pulvermaß noch Kugeln hatte, und warf sie nach dem Anführer der Banditen. Sie wirbelte an ihm vorbei zum Fenster hinaus.
»Ich bin der Steinerne Johannes!«, hörte Wenzel den Wahnsinnigen keuchen, und dann, mit einem Unterton des Triumphs: »ICH BIN DER STEINERNE JOHANNES!«
Melchior wurde im Pulverdampf sichtbar, einen Arm ausgestreckt. In seiner Faust steckte eine seiner Pistolen, und sie zielte auf Johannes. Melchior blinzelte nicht. Er drückte ab.
Johannes ließ sich mit einem wilden Auflachen nach hinten fallen. Die Kugel schlug Steinsplitter aus der Mittelsäule des Fensters, vor der sich eben noch Johannes’ Körper befunden hatte. Melchior fluchte.
Wenzel stürzte zum Fenster. Es war unfassbar, dass Johannes schon wieder entkommen sollte. Der Teufel …
… der Teufel hatte dem Steinernen Johannes dieses Mal seine Unterstützung versagt.
Johannes lag unterhalb des Fensters auf dem Schutt. Wäre er nach seinem Überschlag rückwärts auf die Beine gekommen, hätte er das Verhängnis vielleicht abwenden können. Aber er war auf dem Rücken gelandet, direkt auf der Kante eines Steins, und dieser hatte ihm das Kreuz gebrochen. Sein Körper lag in einem unmöglichen Winkel verkrümmt über der Kante. Das Hemd färbte sich vorne mit Blut, wo die geborstenen Rippen durch die Haut stachen. Sein Mund öffnete und schloss sich. Seine Augen blinzelten. Wenzel starrte auf ihn hinab. Melchior tauchte neben Wenzel auf und zielte mit seiner Pistole. Wenzel drückte sie nach unten.
Johannes’ Augen huschten umher. Seine Gliedmaßen zuckten. Schaum trat ihm aus dem Mund, aber diesmal war er rot vor Blut und lief ihm an beiden Wangen hinunter. Ein krampfhaftes Beben erfasste den ganzen
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