Die Erbin der Teufelsbibel Historischer Roman
antun, Kutte! Ich bin unverwundbar. Du könntest mir die Pistole so wie ich dir an den Bauch halten und abfeuern, und mir würde nichts geschehen! Aber du …«, er lachte tief in seiner Kehle gehässig auf, »… du bist nicht unverwundbar, Kutte! Wenn ich jetzt abdrücke, hängen dir die Därme zu dem Loch raus, das die Kugel beim Austreten in deinen Rücken reißt. An so was kann man stundenlang vor sich hin krepieren, Kutte.« Johannes blinzelte. »Und ich weiß nicht, was mich davon abhalten sollte, es zu tun.« Sein Lachen wurde lauter, und er spannte den Hahn. Wenzel wurde eiskalt, als er in den Augen des Irren las, dass dieser es ernst meinte.
»Äh, Johannes … das Lösegeld …«, wandte einer seiner Männer ein.
»Der Komtur wird für die anderen noch genug zahlen«, sagte Johannes, ohne sich umzudrehen. Seine Blicke bohrten sich in Wenzels Augen. Wenzel konnte nicht anders – er schluckte trocken. Seine Knie waren so weich, dass er sie durchdrücken musste, um stehen zu bleiben. Johannes genoss die Angst, die er in den Zügen seines Opfers sehen konnte. Wenzel wiederum musste nicht nach unten blicken, um zu wissen, dass Johannes’ Zeigefinger über dem Abzug gekrümmt war und dass nur noch ein winziges Gramm zusätzlicher Druck genügen würde, um die Pistole losgehen zu lassen. Er spürte die tödliche Kälte sich in seinem Leib ausbreiten, als bestünde die Pistolenmündung aus Frost und würde ihn über und über vereisen.
»BUMM!«, schrie Johannes, und Wenzel zuckte zusammen. Johannes begann lauthals zu lachen. Wenzels Herzstockte und fing dann an zu rasen. Er wusste, dass das Zittern, das ihn nach dem Schreck erfasste, von Johannes ebenso gut wahrgenommen werden konnte wie von ihm selbst.
»Aber … der Kerl is’ doch der Obermönch«, sagte Johannes’ Leutnant. »Für den kriegen wir sicher mehr als für die anderen Bastarde, verdammich noch mal.«
Langsam, als wären ihre Blicke miteinander verbunden durch den stärksten Leim der Welt, wandte Johannes die Augen ab und spähte über die Schulter zu seinen Männern. Mehr als ein halbes Dutzend standen jetzt beim Eingang des Refektoriums und starrten ihn an. Eigentlich waren sie alle da bis auf die fünf Wachen, die in wechselnden Schichten auf Johannes’ Geheiß hin das Ruinenfeld des Klosters sicherten. Johannes war irre, aber er war nicht dumm und schon gar nicht unvorsichtig.
»Warten wir doch die Stunde«, schlug der Leutnant vor. »Wenn der Komtur dann nich’ zahlt, können wir sie immer noch kaltmachen und den Scheißer hinter seinem blöden Tisch gleich dazu!«
Johannes schien seine Männer zu mustern. Von seiner Warte aus konnte Wenzel nur dessen abgewandtes Gesicht sehen und die Schlagader an dem dürren Hals, die pochte und zuckte. Der Druck der Pistolenmündung veränderte sich nicht. Wenzels Entsetzen wuchs, als ihm klar wurde, dass der Einspruch des Leutnants ihren Anführer nur noch mehr dazu reizen musste, zu demonstrieren, dass hier nur seine Meinung galt. Er focht gegen den überwältigenden Impuls an, die Augen zu schließen und zu resignieren, nur damit die Todesangst verging.
Von draußen kam ein schriller Schrei. »Johannes! Johannes! O Scheiße, Johannes! Sieh dir das an!«
Nach einer Sekunde Schweigen – sie gehörte zu den längsten Sekunden in Wenzels Leben – brüllte Johannes zurück. »Was ist los?«
»Verdammte Scheiße, du musst sofort kommen!«
Johannes wandte sich um. Sein Blick suchte Wenzels Augen erneut. Der Pistolenlauf wurde so hart in seinen Leib gestoßen, dass er sich krümmte. »Johannes kommt in einer Stunde wieder, Kuttengesicht«, flüsterte der Wahnsinnige und grinste; dann drehte er sich ruckartig um und lief zum Eingang. Seine Männer folgten ihm bis auf die beiden, die die Tür bewachten. Diese warfen sich besorgte Blicke zu. Bruder Tadeáš, der beiseitegestoßen worden war, rappelte sich auf und wankte langsam herüber.
Wenzel blieb stehen. Er wusste, dass seine Mönche ihn alle anstarrten. Das Verlangen, zum Sessel zu stolpern, sich dort hineinfallen zu lassen und das Gesicht in den Händen zu vergraben, war riesig. Er durfte ihm nicht nachgeben. Entschlossen straffte er sich und begegnete ihren Blicken. »Der Mann kann einem wirklich leidtun«, sagte er. »Was ist, worauf wartet ihr? Der Schrei kam von draußen. Lasst uns aus dem Fenster sehen, vielleicht bekommen wir mit, was geschehen ist.«
Die anderen bewegten sich erst, als er an ihnen vorbei zu der Fensterwand
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