Die Erbin der Teufelsbibel Historischer Roman
»Welches Denkmal?«, fragte er fassungslos.
»Das Denkmal, das ich meiner wunderbaren Rettung durch die Jungfrau Maria wegen habe errichten lassen«, erklärte Slavata. »Graf Martinitz hat auch eines gespendet. Gleich 1621, als der Spuk mit den protestantischen Ständen vorbei war. Wir wollten es fertig bekommen, noch bevor die Mitglieder des Ständedirektoriums hingerichtet wurden, aber die Handwerker waren zu langsam. Wahrscheinlich alles Protestanten …« Die Stimme des Reichskanzlers verlor sich in der Vergangenheit.
»Die Stadtverteidigung ist hervorragend organisiert«, schnarrte Rudolf Colloredo. »Wir haben einen Verteidigungspunkt beim Kleinseitner Brückenturm, einen beim Altstädter Brückenturm, und wir können sämtliche Boote über die Moldau innerhalb von Minuten für den Feind unbrauchbar machen. Für das Altstädter Tor stehen bewegliche Bollwerke zur Verfügung. Und was die Bewaffnung der Bürger angeht:Wir haben traditionell insgesamt acht Stadtviertel-Kompanien in Alt- und Neustadt, und«, Colloredo lächelte abfällig, »ich habe weitere Vorsorge getroffen und …«
»Man hat uns nämlich defenestriert«, sagte Wilhelm Slavata. »Aber die Heilige Jungfrau hat persönlich eingegriffen und uns auf den Schwingen ihres blauen Mantels sanft durch die Lüfte getragen. Deshalb die Denkmäler.«
»… und sechs Kompanien aus den Handwerkszünften und …«
»Haben Sie das gewusst, Pater Arrigia?«, fragte Slavata. »Ihr Jesuiten habt viel zu wenig Achtung vor der Heiligen Jungfrau, aber ich achte sie höher als alles andere. Ohne sie wäre dieser Leib«, er klopfte sich auf die Wampe und löste damit kleine Wellenbewegungen aus, die die Lagen seiner Kinne sanft erzittern ließen, »damals zu einem cadaver mortuum geworden.«
Alle starrten ihn an und bemühten sich, die Fassung zu wahren.
»… und drei Kompanien aus den Pächtern, Mietern und Verwaltern königlichen Besitzes …«, sagte Colloredo und verstummte dann. Ein längeres Schweigen setzte ein, in dem jeder peinlich vermied, einem der anderen Teilnehmer an dieser Besprechung in die Augen zu sehen, ganz besonders was die Augen von Wilhelm Slavata betraf, die zwischen den Fettpolstern der Wangen und dem Wildwuchs der Augenbrauen heraus in eine Zeit blickten, in der die Gottesmutter Maria noch persönlich behelligt werden konnte, um den Sturz zweier königlicher Statthalter und eines Schreibers auf einen gnädig weichen Misthaufen umzuleiten.
»Sie müssen die Schweden vor den Mauern schlagen«, sagte Cyprian schließlich. »Die ganzen Bürgerkompanien nützen Ihnen nichts. Wenn Sie die Soldaten hereinlassen, werden Plünderungen die Folge sein, gegen die sämtliche Untaten der Passauer Landsknechte 1610 wie Bubenstreiche wirken werden.«
»Deshalb haben wir ja die Verteidigungslinie an der Moldau geplant«, erklärte Colloredo. »Aber davon verstehen Sie nichts.«
»Ich verstehe«, sagte Cyprian mit einem Unterton, der Andrej auf blicken und unter dem Tisch mit seinem eigenen Fuß den Cyprians suchen ließ, damit er zur Not darauftreten und seinen Freund aufhalten konnte, »dass auch diesmal die Kleinseite wieder der Willkür eines feindlichen Heers ausgesetzt werden soll.«
»Die Alt- und Neustadt – das ist Prag«, sagte Colloredo.
»Der königliche Burgverwalter wird erfreut sein zu hören, dass die Burg nicht in Prag steht, wo sich doch der Hradschin über der Kleinseite erhebt.«
Francesco Miseroni war nicht geneigt, von Cyprian einen Keil zwischen sich und den Befehlshaber der Prager Truppen treiben zu lassen. »Die Burg«, sagte er blasiert, »isse nischt eine Teil von Prag, sondern Prag gehört zu die Burg.«
»Merken Sie sich diesen Spruch, Euer Gnaden, wenn Sie von den ersten schwedischen Soldaten nach dem Weg gefragt werden.«
»È impertinente« , sagte Miseroni. »Wer hat diese Herre eingeladen?«
»Diese Herren«, knurrte Erzbischof von Harrach, »haben sich an uns gewandt mit wichtigen Informationen, wenn ich Sie freundlichst daran erinnern darf.«
»Sie haben sogar noch auf uns geschossen, obwohl wir wehrlos am Fuß der Mauer lagen«, erklärte Slavata. »Protestantengesindel – ah! Genauso schlimm wie diese Verräterbande um diesen … diesen … Waldstein! Der Mann gehört aufgehängt!«
Wieder trat Schweigen ein. Der Altstädter Bürgermeister, Mikuláš Turek, sagte vorsichtig: »Wallenstein ist seit vierzehn Jahren tot, Exzellenz.«
Slavata grinste. »Und es ist keinen Tag schade um ihn,keinen Tag.
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