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Die Erbin der Teufelsbibel Historischer Roman

Titel: Die Erbin der Teufelsbibel Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Duebell
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zusammen. Die Nase war eine Art rundlich roter Störung in diesem parallel gefalteten Kunstwerk, und oben stand ein grauer Schopf aufeinem ansonsten kahlen Kopf senkrecht in die Höhe wie der gesträubte Kamm eines Hahns.
    »Ah«, sagte Slavata, »die Herren Kaufleute!« Es klang, als habe man Andrej und Cyprian nur gnadenhalber hereingelassen. In Wahrheit hatten beide die nicht unerheblichen Verbindungen der Firma genutzt, um das Treffen zustande zu bringen.
    Die anderen Männer rund um den Tisch nickten ihnen schweigend zu: Mikuláš Turek von Rosenthal, der Bürgermeister der Prager Altstadt; Václav Augustin Kavka, der königliche Richter und Bürgermeister der Prager Neustadt; der Prager Erzbischof Ernst Graf von Harrach; General Rudolf Colloredo, der Befehlshaber des kleinen Regiments kaiserlicher Truppen, das in Prag stationiert war, und gleichzeitige Prior der Prager Malteserritter; Francesco Miseroni, der königliche Burgverwalter; und der lange Bursche in der Soutane. Er war der Einzige, der über das ganze Gesicht grinste, und Andrej hatte plötzlich das Gefühl, dass ihm dieses Gesicht nicht unbekannt war.
    »Die Herren …«, sagte Slavata und wies mit einer Patschhand auf Andrej und Cyprian, »die Herren … äh …?« Sein katastrophales Namensgedächtnis war legendär.
    Erzbischof von Harrach sagte: »Willkommen, Herr Khlesl, Herr von Langenfels. Setzen Sie sich und erzählen Sie.«
    »… äh …«, wiederholte Slavata und ließ die Hand dann sinken, als sei die Vorstellung damit ungehindert über die Bühne gegangen.
    »Ich glaube, wir kennen uns noch nicht«, sagte Andrej und streckte dem langen Mann in der Soutane die Hand entgegen.
    »Natürlich kennen wir ihn«, brummte Cyprian. »Aber er ist ganz schön gewachsen, seit wir ihn das letzte Mal gesehen haben. Wie geht’s dem alten Herrn, Jiří?«
    »Pater Plachý« , betonte Richter Kavka indigniert.
    »Lassen Sie nur, Exzellenz«, sagte Pater Plachý, »die Herren Khlesl und Langenfels kennen mich, seit ich ihnen zwischen den Füßen herumgekrabbelt bin.«
    »Oh, Sie kennen Pater Arrigia«, sagte Reichskanzler Slavata.
    »Ich bin Pater Plachý «, erklärte der lange Mann in der Soutane mit Engelsgeduld. » Oberst Juan Arrigia ist mein Befehlshaber in der Studentenlegion; ich bin sein Adjutant.« Seine Antwort hatte den geübten Fluss einer Erklärung, die viele Gelegenheiten gehabt hat, wiederholt zu werden. »Und die Herren kennen mich, weil mein Vater Šimon Plachý in Pilsen geschäftliche Verbindungen zu ihnen hat.«
    »Jiří Plachý«, sagte Andrej und lächelte. »Natürlich.« Er erwiderte den Händedruck des jungen Paters. »Bist du zu den Jesuiten gegangen?«
    Plachý nickte. Man konnte ihm seinen Stolz ansehen.
    »Bitte, teilen Sie uns Ihre Informationen mit«, sagte der Erzbischof.
    Andrej und Cyprian sahen sich an. Cyprian würde dieser illustren Runde die Wahrheit mit dem Holzhammer beibringen, fürchtete Andrej. Doch vielleicht war dies genau die richtige Methode. Er schwieg. Cyprian seufzte.
    »Ein schwedisches Heer unter General Königsmarck nähert sich Prag«, sagte Cyprian. »Sie müssen die Bürger bewaffnen und die Stadt befestigen, sonst überrennen sie uns genau so, wie uns 1620 die Truppen von Tilly und 1635 die Sachsen überrannt haben.«
    »Erstens weiß ich längst von diesem ›Heer‹«, sagte Colloredo, »und zweitens waren das damals ganz andere Umstände.«
    »Ja«, sagte Cyprian. »Damals wurde Prag eingenommen, ohne dass eine einzige Kugel abgefeuert wurde. Wenn Sie dieses Mal eine Kapitulationsflagge auf der Burg hissen, geschieht nichts anderes, als dass Königsmarck sie mit seinergrößten Kanone herunterschießen lässt, und die halbe Burg gleich mit dazu.«
    »Das ist gar kein Heer, das sich uns da nähert, sondern ein Häuflein verwilderter Strolche, die westlich und südlich von Prag ein paar Bauernmägde erschrecken. Glauben Sie doch bitte nicht, ich hätte nicht auch meine Informationen.« Colloredo machte eine flatternde Handbewegung. »Händler! Pfffh!«
    »Die verwilderten Strolche sind die, die schon vorab fouragieren. Das Hauptheer kommt erst noch.«
    Colloredo beäugte Cyprian wie einen, bei dem man es sich zweimal überlegt, ob man sich überhaupt die Mühe machen soll, ihm zu antworten.
    »Das Denkmal«, sagte Slavata unvermittelt. »Sie dürfen auf keinen Fall das Denkmal zerstören.«
    Aller Augen wandten sich dem Reichskanzler zu. Andrej wollte es nicht tun, aber er konnte nicht anders.

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